„Freiwillige“ vor!

An der FU werden Wahlhelfer für die kommende Bundestagswahl gesucht, 230 davon muss die Uni aus ihren Mitarbeitern rekrutieren – notfalls per Zwang. Ein Kommentar zur Wortwahl von Robert Ullrich


Geht es an der FU Berlin um Demokratie, kommen schnell Anführungszeichen ins Spiel. Sie kleben an einzelnen Buchstaben oder ganzen Wörtern. Das sieht dann unter anderem so aus: „F“U Berlin – oder auch so: „freiwillig“. Während es die Schreibweise des ersten Beispiels zu bescheidener Prominenz bei den präsidiumskritischen Studierenden geschafft hat, fristet das zweite Wort – ironisierend eingeklammert – bisher noch ein Schattendasein.

Verwendet wurde es in einer Email der FU-Verwaltungsleitung. Darin wurde dazu aufgefordert, „freiwillige“ (sic) Wahlhelfer für die Bundestagswahl 2013 zu rekrutieren. 18 000 dieser Freiwilligen braucht die Stadt Berlin insgesamt, 230 sollen aus dem Mitarbeiterpool der Universität kommen.

Nun ja, womöglich waren es die geheimen Hintergedanken an die Wahlhelfer, die den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül im Zuge der jüngsten Proteste weitblickend zu Protokoll geben ließen: „Demokratie ist mehr als nur Wahlen“. Richtig, Demokratie meint auch Wahlorganisation! Weil das auch FU-Kanzler Peter Lange weiß, fordert er in einem Brief an die Fachbereiche, „dass sich kein Mitglied der Freien Universität Berlin dieser demokratischen Pflicht entziehen sollte.“ Und weiter: „Bei zu wenigen freiwilligen Meldungen ist ein Losverfahren durchzuführen.“ Auch Professoren müssten einbezogen werden.

Es sind Poltereien wie diese, die den trotzigen Berlinbewohner zur Verwendung der allseits beliebten Anführungszeichen drängen. Unklar bleibt, warum ausgerechnet beim Thema Demokratie so oft und gern gepoltert wird. Würden sich die 230 Wahlhelfer nicht viel schneller einfinden, wären sie offensiv auf die Vergünstigungen hingewiesen worden, die im Zuge der Teilnahme auf sie warten? Ein Blick in das Amtsblatt für Berlin offenbart, dass dem fleißigen Wahlhelfer ein halber Arbeitstag Dienstbefreiung winkt. Sollte dies in einem entgrenzten Arbeitsalltag nicht verlockend genug erscheinen, gibt es immerhin noch 21 Euro Erfrischungsgeld oben drauf.

Nein, werden sich Lange und die Verwaltung gedacht haben, diese Vergünstigungen locken niemanden. Klingen sie doch zynischer als Anführungsstriche. So blieb es beim polternden Verweis auf die Unabänderlichkeit der Tatsachen („Die Landeswahlleiterin ist gezwungen…“), blieb es bei der „demokratischen Pflicht“ des Einzelnen und den in ihr Gegenteil verkehrten „Freiwilligen“.

Es ist ein Kreuz mit der Demokratie: Alle wollen sie, aber niemand will sie organisieren. Doch statt mit Pflicht oder Ironie hätte es die Verwaltung auch mit Vernunft probieren können. Ungefähr so: Vieles im Leben scheint auf den ersten Blick nervig, reiht sich aber nach etwas Überlegung in tiefere Zusammenhänge ein. Abwasch nervt. Aber ohne wachsen Schimmelpilze auf dem Teller. Ähnlich das Wahlhelfen: Es nervt. Aber ohne wachsen stets die Falschen zu unseren Vormündern. In Anlehnung an Gül ließe sich dann sagen: Demokratie meint mehr als Kreuze zeichnen. Demokratie lebt von aktiver Beteiligung und Mithilfe. Daher: Freiwillige vor!

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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