Dicke Wälzer sind zwar nicht jedermanns Sache. In den Semesterferien aber, bleibt endlich Zeit, um sich statt einem dicken Reader einem noch dickerem Buch zu widmen. Von Sarah Pützer.
Wälzer sind wie Berge. Je größer sie sind, desto gewaltiger ist die Herausforderung sie zu bewältigen. Sie sind keine kurzweilige Nebenbeschäftigung, sondern fordern unsere volle Aufmerksamkeit. Die Gefahr,dass wir auf halber Strecke umdrehen und das Buch beiseite legen, ist groß. Haruki Murakamis 1024 Seiten umfassender Roman „1Q84“ von 2010 gehört zu den Ausnahmen unter den Wälzern. Ein Buch, das den Leser ganz für sich einnimmt und ihn aus dem Alltag hinaus in seine eigene Welt entführt.
Auch Aomame, eine der Protagonistinnen des Romans, findet sich zu Beginn des Romans in einer anderen Welt wieder. Zunächst bemerkt sie nur kleine Details, die sich scheinbar verändert haben, bis sie schließlich eines Nachts zwei Monde am Himmel stehen sieht. Aus dem Jahr 1984, das Jahr, in dem der Roman spielt, ist das Jahr 1Q84 geworden.
Währenddessen erhält die zweite Hauptfigur, Tengo, den Auftrag, den Roman der siebzehnjährigen Fukaeri so umzuschreiben, dass dieser mit einem Preis ausgezeichnet werden kann. Während Tengo die Geschichte für das Produkt einer lebhaften Phantasie hält, scheint Fukaeri davon überzeugt zu sein, dass die im Roman beschriebenen merkwürdigen Wesen namens „Little People“ tatsächlich existieren.
Auf der Suche nach der einen Wahrheit
Abwechselnd widmen sich die Kapitel den beiden Protagonisten. Dabei werden ihre Geschichten sprachlich geschickt, wie ein Netz miteinander verwoben. Motive werden im einen Handlungsstrang aufgeworfen, tauchen im anderen in veränderter Form wieder auf und ergänzen sich gegenseitig. Dabei wird die rational erklärbare Welt der Protagonisten von einer fantastischen, düsteren Welt infiltriert.
1Q84 widmet sich der Frage nach Realität, indem ihr vermeintlich stabiler Charakter in Frage gestellt wird. Auch der Titel des Buches ist eine Anspielung darauf: Die Aussprache von 1Q84 ist im Japanischen phonetisch identisch mit der Aussprache von 1984. Ziel ist also nicht die eine, einzig mögliche Wahrheit aufzudecken, sondern sich einzugestehen, dass es keine wirkliche Wahrheit gibt.
Der Autor Murakami ist schon lange kein exotischer Geheimtipp mehr. Seine Bücher erhielten bereits zahlreiche Literaturpreise und er selbst war 2012 für den Literaturnobelpreis nominiert. 1Q84 ist sein bisher längstes Werk, und wird daher oft als Murakamis „Opus Magnum“ betitelt. Trotz ihrer Länge, behält Murakamis fantastische Erzählung einen Spannungsbogen, der es nicht zulässt, dass der Roman einfach beiseite gelegt wird.
Wie erfreulich also, dass nach 1024 Seiten noch gar nicht Schluss ist. Ende 2011 nämlich ist eine Fortsetzung erschienen, die die Geschichte noch einmal auf 578 Seiten weitererzählt.
„1Q84“
Autor: Haruki Murakami
Verlag: DuMont (Hardcover) / btb (Taschenbuch)
Preis: 32,00 Euro (Hardcover) / 14,99 Euro (Taschenbuch)