Es geht eine La Ola durch Katalonien

Höher kann keine Nationalmannschaft die Flaggen zum Wehen bringen als die der Katalanen. Ute Rekers war dabei, als sie in Barcelona ihr ganz eigenes Sommermärchen gefeiert haben.

Wenn Katalanen sich selbst feiern: gelb-rotes Spektakel vor dem Arc de Triomf in Barcelona. Foto: Ute Rekers

Drei Jahre Schulspanisch und die „Leo.org“-App. Das muss reichen, um elf Tage mit „una querida amiga“ im sonnigen Barcelona zu verbringen. Mit dem Reiseführer in der Tasche und regelmäßigen paranoiden Blicken über die Schulter, um auf der Prachtmeile „La Rambla“ auch ja keinem Taschendieb zum Opfer zu fallen, kann es losgehen.

Die Vorsicht verfliegt schnell angesichts des Zaubers, den die Stadt auf uns ausübt. Morgens der Strand, an dem sich die „Mojitomargaritasangria“-Rufe der Strandverkäufer zu einem Dauerohrwurm entpuppen. Nachmittags eine Zeitreise ins 14. Jahrhundert, in die engen Gassen der Altstadt mit ihren malerischen Gebäuden und den winzigen Geschäften.

Die Casa Milà, der Parc Güell – bewundernd laufen wir durch die Straßen, stets auf den Spuren Antoni Gaudís, des berühmten Architekten, der sich mit seinen einzigartigen künstlerischen Formen an Gebäuden verewigt hat. Allein der Basilika Sagrada Familìa widmete er das letzte Jahrzehnt seines Lebens. Seit Gaudís Tod wird weiter an ihr gebaut, 2026 wird sie fertig, sagen Optimisten.

Doch jetzt schreiben wir den 11. September 2013, den Katalonischen „Nationalfeiertag“. Oder genauer gesagt der Tag, an dem die Katalanen 1714 eine Niederlage gegen die Truppen des spanischen Königs Philipp V. erlitten und endgültig ihre Unabhängigkeit verloren.

Wir tauchen ein in die Menge aus gelben und roten Streifen, stolpern über Kinder mit der Flagge Kataloniens auf den Wangen und um den Körper gewickelt.

400 Kilometer für die Unabhängigkeit

„Catalunya is not Spain“ – auf Schlüsselanhängern oder Lätzchen wird uns das förmlich entgegen geschrien, während wir die endlosen Stände entlanglaufen, inmitten feierlicher und selbstbewusster Gesichter. Plötzlich nehmen sich alle an die Hand und brechen in Jubel (oder ist es Protest?)-Gebrüll aus; es folgen La-Ola-Wellen. Wir sind unfreiwillig Teil einer langen Menschenkette geworden. Einer 400 Kilometer langen Menschenkette, wie ich wenige Tage darauf in der Zeitung lese. Die spontane Demonstrationskette reichte von der französischen Grenze bis nach Valencia.

Wir kommen ins Gespräch mit Einheimischen und versuchen, etwas zu verstehen, was weit über unseren Horizont hinausreicht, weit über Barcelona hinausreicht: dieses Gefühl, dieser starke Drang nach Unabhängigkeit. Es ist auch das Erbe Francos und seines autoritären Militärregimes, das erst 1975 mit seinem Tod endete.

Die katalanische Regierung ist zurzeit damit beschäftigt, einen Termin für ein Referendum über die Unabhängigkeit des wirtschaftsstarken Kataloniens festzulegen. Mittlerweile sprechen sich mehr als 80 Prozent aller Katalanen für die geplante Volksabstimmung aus.

Von der größten Demonstration in der Geschichte Kataloniens ist in den deutschen Medien die Rede. Bevor wir an jenem Abend heimkehren, werfe ich einen Blick zurück. Das Letzte, was ich sehe, ist eine tanzende, feiernde Menge vor einer großen Bühne, auf der bis tief in die Nacht lokale Bands spielen. Das Letzte, was ich höre, die warmen Worte einer Spanierin, äh, Katalanin: „The next time you come, you have a house.“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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