Provokanter Professor

Der Moralphilosoph Michael J. Sandel hielt am Donnerstagabend an der FU einen Vortrag mit dem Titel „What Money can’t buy.“ Unter Studierenden entfachte er eine lebhafte Diskussion. Von Maik Siegel

Michael J. Sandel - What Money Can't Buy (2)

Der Moralphilosoph Michael J. Sandel entfachte am Donnerstag eine Diskussion mit der Frage, welche Rolle der Markt in der Gesellschaft spielen soll. Foto: Robin Kowalewsky

Tosender Applaus begrüßte am Donnerstag Michael J. Sandel, Professor für Ethik und politische Philosophie an der Harvard Universität. Alle Plätze des Hörsaals 1a waren belegt – die Studierenden saßen dem fieberhaft erwarteten Gast buchstäblich zu Füßen. Die FU hatte mit dem Andrang gerechnet und sogar eine Live-Übertragung im benachbarten Hörsaal eingerichtet. Organisiert wurde das Ganze von der Frankfurter Kolleg-Forschergruppe „Justitia Amplificata, gemeinsam mit Stephan Gosepath, Professor für praktische Philosophie an der FU.

Ein akademischer Rockstar

Auffällig war die Lesung des amerikanischen Professors nicht nur wegen der vielen Zuhörer. Vor allem sein Vortragsstil machte den Abend zu einem Erlebnis. Sandel entpuppte sich schnell als begnadeter Redner: Kein Stocken, kein Stottern. Er verstand es von der ersten Sekunde an, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Er sprach langsam und manchmal zögernd, aber in solcher Intensität, dass man außer seiner Stimme und seinen ständigen Schritten vor dem Rednerpult keinen Laut im Hörsaal vernahm. Wo sonst das ein oder andere Handy auf dem Schoß bedient wird und die Konzentration nach einer Stunde nachlässt, sah man bei Sandel über die ganzen neunzig Minuten hinweg gebannte Gesichter.

Alles nur Show, wie man sie vielleicht von einem amerikanischen Star-Dozenten erwarten würde? Man könnte auch sagen: Sandel nahm die Studierenden und ihre Meinungen ernst. Seine Frage, die den Abend bestimmte: „Welche Rolle sollen der Markt und das Geld in der Gesellschaft spielen?“ Anhand von Beispielen ermutigte der Professor die Studierenden zu diskutieren: „Angenommen, die FU benötige Geld. Reiche Eltern eines mittelmäßig leistungsstarken Schülers seien bereit, zehn Millionen Euro zu zahlen, damit ihr Sohn einen Studienplatz bekäme. Dieses Geld werde dafür verwendet, 30 ärmeren Studierenden einen Studienplatz zur Verfügung zu stellen. Würden Sie das Geld annehmen?“

Die Mündigkeit von Studierenden und Gesellschaft

Mit dieser Frage schaffte Sandel es, eine beeindruckende Kontroverse über die Macht des freien Marktes im Hörsaal zu entfachen. Viele Studierende meldeten sich zu Wort, um leidenschaftlich zu argumentieren. Dabei zeigten sie eine kritische Grundhaltung den freien Märkten gegenüber: Bei Abstimmungen über Sandels Fragestellungen meldete sich stets eine große Mehrheit für die soziale Fairness, die sich nicht von einem entfesselten Markt korrumpieren lassen dürfe.

Sandel selbst warnte vor einem „drift from having market economies to being market societies“: Marktgesellschaften, die Menschenleben zu Gütern machen. Seiner eigenen Forderung nach mehr Mündigkeit in der Gesellschaft kam er dadurch nach, dass er den Studierenden große Redezeit einräumte und sich selbst dahinter zurücknahm. Immer wieder forderte er das Publikum dazu auf, die Diskutierenden zu beklatschen. So hatte er sich bei seinem Abgang seinen eigenen Applaus redlich verdient.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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