Peinliche Haarspalterei

Das Präsidium hat einer Veranstaltung mit Gregor Gysi Steine in den Weg gelegt – angeblich, weil ihr der wissenschaftliche Bezug fehlte. Margarethe Gallersdörfer fühlt sich veralbert.

Eins ist sicher: Die Einführung in die Internationalen Beziehungen musste nicht neu geschrieben werden, nachdem Steinbrück im Juni verkündet hatte, dass die europäische Hymne „nicht mehr als Musik empfunden“ werde. Genau so wenig hat es die Politikwissenschaft in Aufruhr versetzt, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Amtskollege Pierre Moscovici einen Monat zuvor ihre Einigkeit in europapolitischen Fragen beschworen hatten.

Normalerweise wäre das auch zu viel verlangt. Nicht jedoch an der FU, nicht, seit einer linken politischen Hochschulgruppe in der vergangenen Woche ein Raum für eine Veranstaltung zur Eurokrise mit Gregor Gysi verweigert wurde. Es handele sich um eine „allgemeinpolitische Veranstaltung mit klarem parteipolitischem Profil und ohne direkten Hochschul- oder Wissenschaftsbezug“, erläuterte das Präsidium diese Entscheidung auf Anfrage und fügte hinzu: „Einzelnen Parteien oder ihren Vertretern bietet die Universität keine Plattform für allgemeinpolitische Positionierungen an der Hochschule.“

Wie dreist ist das denn?

Eins vorweg: „Wissenschaftlich“ und „allgemeinpolitisch“, das sind recht bemühte Trennkategorien. Aber wie dreist ist denn diese Begründung, nachdem die FU Peer Steinbrück, dem Vertreter einer einzelnen Partei, für die Präsentation „sozialdemokratischer Leitlinien in Außen- und Sicherheitspolitik“ eine sehr große Plattform geboten hat: den Hörsaal 1a? Und das mitten im Wahlkampf! Außerdem: Seit wann sind überhaupt politische Debatten an der FU nicht mehr erwünscht?

Inwiefern diese Veranstaltung anders zu bewerten ist als die Beiträge von Gregor Gysi und Catarina Principe zum Thema „Krise in Europa, Krise in Deutschland?“, wissen wir bislang nicht. Aber mehr als peinliche Haarspalterei käme bei diesem Unterscheidungsversuch wohl kaum herum: War der Wissenschaftsbezug bei Steinbrück etwa dadurch hergestellt, dass ein Professor des Otto-Suhr-Instituts ihm zur Begrüßung ein paar Fragen stellte?

Hatte die Veranstaltung mit Schäuble und Moscovici Hochschulbezug, weil die Einladung von einer Professorin unterschrieben war? Oder weil Präsident Peter-André Alt höchstpersönlich die Begrüßung übernahm? Übrigens sagte er bei dieser Gelegenheit, die FU habe eine Tradition als Begegnungs- und Diskussionsstätte zwischen Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft. Hätte das Präsidium einen Raum für Gysi gefunden, wenn nur eine Person aus der Wissenschaft dabei gewesen wäre, der er dort hätte begegnen können?

Schmuddelige Linke

Über die wahren Gründe des Präsidiums kann man weiterhin nur spekulieren. Wahrscheinlich ist es doch eher so, dass man sich gebauchpinselt fühlt, wenn Vertreter der so genannten Volksparteien an der FU sprechen – und peinlich berührt, wenn das Schmuddelkind Gysi von der Linken auch kommen will, einfach so, nicht eingerahmt von einer Podiumsdiskussion. Vielleicht haben Präsident Alt die „Protestbriefe aus konservativen Kreisen“, damals wegen Sahra Wagenknecht, doch nicht ganz kalt gelassen.

Vielleicht haben auch die Aktivisten des Bildungsprotests recht mit ihrem Eindruck, dass seit dem Gezerre um die Rahmenstudien- und Prüfungsordnung jede Gelegenheit genutzt wird, politisch aktiven Studierenden auf die Zehen zu treten. Solange Alt uns nicht verrät, was er sich bei seiner Weigerung wirklich gedacht hat, sind das allemal bessere Erklärungen als der Unsinn aus dem Präsidium.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Stimmt! sagt:

    Treffender Kommentar!

    Das Schmierenthater, mit dem Versucht wird alles vermeintlich politische von der Universität zu verbannen wrid immer dreister.

    Erstaunlich ist hierbei, dass scheinbar vor allem vermeintlich linke Veranstaltungen nicht genehm sind.

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