Vom Wahnsinn Lebenslauf

Der Jungkabarettist Martin Valenske präsentiert in der Distel sein Programm „Curriculum Vitae Minimalis“ und rechnet darin gnadenlos mit der Sucht nach Selbstoptimierung ab. Von Maik Siegel

Martin Valenske

Im Terror der Selbstoptimierung: Martin Valenske. Foto: Distel

Martin Valenske betritt die kleine Bühne im Distel-Studio durch die Hintertür – so, als käme er gerade von der Straße. Der Solo-Künstler spielt damit auf das Ziel der Veranstaltung an: Das Kabarett Distel holt „humorbereite Jugendliche von der Straße auf die Bühne.“ Valenske ist einer davon. In den folgenden neunzig Minuten beweist er nicht nur Humorbereitschaft, sondern auch einen scharfen Blick auf das Schicksal eines Bachelor-Absolventen: In seinem Programm „Curriculum Vitae Minimalis“ berichtet der studierte HU-Soziologe von den Tücken des Lebenslaufs und der zwanghaften Selbstoptimierung.

Als Rahmenhandlung dient dem Uni-Absolventen der Besuch im Berliner Jobcenter. Da wird ihm dringend empfohlen, den Lebenslauf aufzuhübschen, wenn er tatsächlich arbeiten wolle. Er soll nach Afrika fliegen und die dritte Welt retten, ein Dutzend Praktika absolvieren und gefälligst Projekte beginnen, wie das heute doch jeder mache. Valenske gelingt es mit scharfem Witz, den Wahnsinn des perfekten Lebenslaufs zu karikieren.

Wir sind alle unsere eigene Marke

Das Jobcenter sieht in dem Soziologen einen hoffnungslosen Fall, also muss er eine Therapie absolvieren: Motivations-Trainer sollen ihm zeigen, wie er sich selbst optimieren kann, wie er mit Hilfe von „Human Branding“ eine Marke aus sich macht. Dass diese Jagd nach der perfektionierten Identität mitten aus dem Leben gegriffen ist, beweist er mit seiner ironischen Kritik am Publikum: Was dem einfallen würde, sich hier sinnlos bespaßen zu lassen, während da draußen der Optimierungskampf tobt. Das erntet Lacher, die dann doch ein wenig im Halse stecken bleiben.

Die prekäre Situation des Jobsuchenden bleibt jedoch nicht sein einziges Thema: Valenske will über alles sprechen – und es gelingt ihm. Der Themenreigen reicht von aktuellen Themen wie dem NSA-Skandal über den Berliner Flughafen bis hin zum allgegenwärtigen Politikzirkus. Trotzdem wirkt der Abend nicht überladen. Sein Humor ist oft beißend und politisch unkorrekt, übertritt die Schmerzgrenze jedoch nicht. Das Publikum dankt es ihm – die circa 40 Zuschauer im heimeligen Studio, unter ihnen viele Studenten, zeigen sich vom jungen Kabarettisten spürbar begeistert.

Manchmal kommen die Pointen zu schnell, sind es zu viele auf einmal, sodass man sich Valenskes intelligenten Witz länger aufbereitet wünscht. Er wirkt hektisch, wenn er von Lacher zu Lacher eilt. Die durch absichtliche Versprecher erzeugten Wortspiele klingen allzu künstlich. Trotzdem gibt es immer wieder Zwischenapplaus. Denn Valenske gelingt der bitterböse Blick auf unsere Gegenwart — und wie er selbst sagt: „Satire ist dann am schmerzhaftesten, wenn es gar keine ist.“

Das Stück läuft noch am Samstag, 2. November, 20.30 Uhr im Distel-Studio. Eintritt 10€, ermäßigt 8€.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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