Kein Platz mehr in der Legebatterie

Die FU-Fachbereiche setzen endgültige Prüfungstermine für Diplom- und Magisterabschlüsse. Magisterstudent Filip Tuma steht selbst vor dem Ende und meint: Das „alte“ Studium passt besser zu den neuen Anforderungen.

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Ich habe grundsätzlich einen zynischen Blick auf die Dinge. Wenn es jetzt daran geht, die letzten Statthalter des alten Hochschulsystems aus den Büchern zu tilgen, dann ist das nur konsequent. Man kann wehleidig sein, sich heiß reden darüber, dass Menschen, die selbst alle Vorteile eines barocken Bildungssystems nutzen konnten, nun über unser aller Köpfe hinweg dessen Reste zum Fenster hinauskehren. Aber irgendwann ist es Zeit, die Tränen zu trocknen.

Ich bin ein Magisterstudent. Aber wer jetzt noch als Magister oder Diplomand eingeschrieben ist, dessen Immatrikulation liegt mindestens zehn Jahre zurück. Was zum Geier hat man nach zehn Jahren noch an der Uni verloren?

Ich kann nur für mich schreiben. Meine insgesamt zehn Jahre summieren sich zu 14 Fachsemestern, stattlich, aber in grauer Uni-Vorzeit eine gängige Zahl. Sprachvorbereitungsjahr, drei Auslandssemester, journalistische Arbeit während des Studiums – ich hatte meinen eigenen Takt. Dass man im Studium keiner graden Linie folgt, sondern Abstecher macht und obskure Ecken erkundet, ist kein abzustellender Makel. Genau das ist doch das Futter für unsere Neugier. Ehemals der akzeptierte Modus für junge Erwachsene in der höheren Bildung, gibt es dafür heute den Stempel „Langezeitstudent“, oder wahlweise weniger höfliche Begriffe.

Auf einmal ist der eigene Studiengang ein Relikt grauer Vorzeit. Kommt man mit Fremden darüber ins Gespräch, so erweckt das jedes Mal Nostalgie. Aber hier ist das Paradox: Ich selbst bin kein Relikt. Ich stelle oft fest, dass mein Zombie-Studium mich gut auf das vorbereitet hat, was manche Leute Arbeitsmarkt nennen. Was als Zeitvergeudung oder bloßes Hobby gilt, erweist sich oft genug als jene Besonderheit, die beim nächsten Arbeitgeber zum Herausstellungsmerkmal wird.

Nie haben sich die gestellten Aufgaben so schnell verändert, wie in der heutigen Zeit. Die Antwort der Bildungsreformer darauf ist derweil, ein flexibles und komplexes Geflecht wie das Magisterstudium zu plätten und zu schematisieren, bis es quietscht. Wer einen Magister abschließen will, muss kein Übertalent sein. Aber es braucht Beharrlichkeit und den Willen, sich seine Themen selbst zu erschließen. Der Bachelor verlangt das nicht mehr. Der Grundgedanke der Reformen ist, Inhalte und Dauer des Studiums effizienter zu gestalten. Aber wenn Effizienz sich darüber definiert, dass mehr Leute in kürzerer Zeit denselben Multiple-Choice-Test exakt gleich ausfüllen, dann möchte ich meinen Kopf effizient gegen einen Backstein rammen.

Mit Diplom und Magister verschwindet ein Bildungsideal

Besonders frustrierend an den Reformen ist, dass niemand für sie einsteht. Die Fakultäten verweisen aufs Präsidium, jenes auf den Bildungssenat, dieser zeigt mit dem Finger hinter die Alpen. Alle rochieren sich aus der Verantwortung, so dass jeder Gedanke am Zwang des Faktischen abperlt. Dabei müssen sie sich alle die Frage gefallen lassen: Wieso wird die Hochschulbildung amputiert und dies hinterher als Reform und Stärkung dargestellt? Herr Alt, Frau Scheeres, wem ist geschadet, wenn die Magistranden und Diplomanden ihre Abschlüsse in aller Form zu Ende bringen dürfen, so wie es Ihnen selbst gestattet war?

Es gab eine Zeit, in der die Universitäten Raum dafür boten, sich die Welt zu erschließen. Das ist vorbei. Stattdessen haben wir Legebatterien für akademische Titel. Dass die Legebatterie Freie Universität ihre lahmen Hühner jetzt vom Hof scheuchen will, ist nur folgerichtig. Aber schließlich möchte auch nicht jeder Eier für den Supermarkt produzieren.

Die höhere Bildung ist angezählt und Abhilfe nicht in Sicht. Da stellt sich für jeden die praktische Frage: Wie soll es mit mir weitergehen? Ich kann nur dazu raten, sich den Doktortitel günstig im osteuropäischen Ausland abzugreifen, vom Taxifahrerlohn ist das schon zu machen. Dann ist man in jedem Fall gewappnet für Aufgaben in der CSU, Verwaltung, oder Gastronomie. Ich binde mir schon mal die Schürze um.

Eine letzte Träne sei erlaubt: Lebt wohl, Magistranden und Diplomanden! Es war eine gute Zeit.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Eine kleine Korrektur sagt:

    “Aber wer jetzt noch als Magister oder Diplomand eingeschrieben ist, dessen Immatrikulation liegt mindestens zehn Jahre zurück”

    Das stimmt so nicht. Etwa in der Mathematik wurden Diplomer_innen bis einschlieslich 2007 zugelassen. Jetzt sollen die leztmaligen Prüfungstermine auf 2018 gesetzt werden. Bei doppelter Regelstudienzeit (Teilzeitstudium) und drei Urlaubssemestern würden damit sogar Studierende herausgeworfen, die technich gesehen noch in Regelstudienzeit studieren.

    Und alles ohne Not! Die Lehrveranstaltungen wurden längst mit solchen im BA/MA identifiziert, die Studierenden Kosten kein Geld und bringen sogar noch welches, wenn sie abschlüsse machen.

    Aber wie der Autor so treffend schreibt: In Dahlem rammt mensch sich halt lieber effizient einen Backstein in den Kopf. Aber dafür einen Exzellenten!

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