Das Debütalbum „Dirty Gold“ der gepriesenen Rapperin Angel Haze aus Detroit ist seit Ende Dezember erhältlich. Mit tiefgründigen Texten ist das Album trotz Patzern hörenswert. Von Fabienne Bieri
In unserer Serie „Kulturreif“ besprechen wir das Neueste aus Literatur, Film, Theater und Musik. Teil 5: Angel Haze’ „Dirty Gold“.
Die junge Rapperin Angel Haze begeisterte 2012 mit ihrer Version von Eminems „Cleaning Out My Closet,” einem Track über die sexuellen Misshandlungen, die sie jahrelang als Jugendliche erleiden musste. Zwei kurze Mixtapes reichten aus, dass die Künstlerin aus Detroit weltweit für ihr Talent gepriesen wurde. Das erstaunlichste an ihrem Erfolg mag sein, dass Haze bis zu ihrem 16. Lebensjahr aufgrund einer streng religiösen Erziehung keine Musik hören durfte. Trotz, oder vielleicht eben wegen ihrer außergewöhnlichen Geschichte, überzeugten ihre mal nüchterne, mal weiche Stimme und tiefgehende Texte alle Kritiker.
Die SZ nannte sie „eine der spannendsten Künstlerinnen, deren Entwicklung noch manche positive Überraschung bereithalten dürfte.“ Jetzt ist die ersehnte Überraschung da, am 30. Dezember brachte die 22-jährige ihr Debütalbum „Dirty Gold“ heraus. Das Album erzeugte kritische Reaktionen, doch trotz manchen Fehltritten hat das Werk einiges zu bieten. Je genauer man hinhört, desto greifbarer werden die Bedeutungsschwere und Reife der Texte.
Schwäche zu Stärke
In dem Lied „Black Synagogue“ untersucht Angel Haze, die in der strengen sektenähnlichen Gemeinschaft Greater Apostolic Faith aufwuchs, ihre Erfahrung mit Religiösität. Sie zeigt den Teufelskreis der Menschen, die sich zur Kirche wenden um von Einsamkeit erlöst zu werden die von der Gemeinde geschaffen wird. Zwei Themen kehren also in Angel Haze’ neuen Songs zurück: Abhängigkeit und Lösung davon. „Dirty Gold,“ das Lied des gleichnamigen Albums, greift auch diese Themen auf:
It takes a lot for me to bury hatchets but consider them cremated, All of the ashes burned to ashes, and I’m dusting off my vocal box and finally saying thank you, So disregard my temper and the times I fucking hate you, because despite all my ignorance I’m really fucking grateful.
Und das ist auch das faszinierende an dieser jungen Künstlerin: Schwäche zur Stärke zu machen und die Welt daran teilhaben zu lassen. Das Ganze kennzeichnet sich durch eine Mischung aus Gesang und Rap. Im guten Fall bringt dies Angel Haze’ schöne Stimme zur Geltung, erlaubt wie in „Deap Sea River“ einen markanten Kontrast zum Rap und zeigt die verletzliche Seite der Sängerin. In „Angels & Airwaves“ wäre der Rap aber ohne Gesang wahrscheinlich besser dran, der ein Tick zu sehr nach melodielosem Pop klingt. Der weiche Gesang zwischen dem kühlen Rap hätte im Einzelfall überzeugender wirken können.
Wer ein 16-teiliges „Cleaning Out My Closet“ erwartet, wird enttäuscht. Aber wenn auch nicht perfekt, zeigt das Album doch noch Angel Haze’ Talent und vor allem ihre unglaubliche Energie. Dass sie das Album mit dem Satz „Sorry to Island/Republic Records, but fuck you,“ Mitte Dezember schon auf ihre Website stellte, nachdem die Firma das Album nicht pünktlich veröffentlichen wollte, zeigt wieder einmal Haze’ eigenwilligen Charakter und den Mut, der auch in ihrer Musik zum Ausdruck kommt.