Fleischhygiene als Studienfach

Am Institut für Fleischhygiene und -technologie verfolgen Forscher unsere Steaks vom Kuhstall bis auf den Teller, um Seuchen zu verhindern. Auch über Tierhaltung denken sie nach. Von Sophie Krause.

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Abgeschieden und versteckt liegt die Alte Meierei im hinteren Teil der Domäne Dahlem. An diesem Ort riecht es nach Ziegen und Heu, zwischen den Pflastersteinen auf dem Hof klebt Stroh, gelegentlich kommen Menschen in Gummistiefeln vorbei. Das Gebäude wirkt unauffällig und verlassen, es erinnert mehr an einen Tierstall als an ein Labor. Lediglich ein kleines Schild am Eingang weist darauf hin, dass sich hier, an diesem unscheinbaren Ort, ein Institut der FU befindet: Das Institut für Fleischhygiene und -technologie.

Hinter dem sterilen, leicht morbide anmutenden Namen verbirgt sich ein Fachbereich, den nur die wenigsten Menschen kennen und der doch für die meisten von großer Wichtigkeit ist. Denn hier erforschen angehende und praktizierende Veterinärmediziner die hygienischen und technischen Umstände fast aller tierischen Nahrungsmittel, die auf unseren Tellern landen. Sie setzen genau da an, wo viele Lebensmittelskandale ihren Ursprung haben.

Vom Stall bis auf den Teller

Deshalb will ich der Sache nachgehen. Ich treffe mich mit Reinhard Fries, dem Leiter des Instituts, in seinem Institutsbüro in der Brümmerstraße. Fries ist ein ruhiger, freundlicher Mann in seinen Sechzigern. Wenn er von seiner Arbeit erzählt, merkt man ihm seine Faszination und Begeis-terung an. Unter dem Begriff Fleischhygiene versteht er die gesamte Lebensmittelkette: die Schlachttiere in den landwirtschaftlichen Betrieben, ihr Transport, ihre Schlachtung und letztlich die Verarbeitung. „Wir verfolgen die Trampelpfade der Erreger, zum Tier und über das Tier in die Pfanne“, sagt er. „Wir wollen herausfinden, wo schwache Stellen sind, und sie beseitigen.“

In der Alten Meierei befinden sich molekularbiologische Labore, in denen Forscher unter anderem die Ausbreitung von Salmonellen untersuchen – wie sie ins Fleisch gelangen, und wie dies verhindert werden kann. Ihre Erkenntnisse sind für die Betriebe und für die Verbraucher von großem Nutzen.

Schlachttiere im Hörsaal

Das Institut unterhält weitere Labore für Bakterienuntersuchungen direkt in der kleinen Institutsvilla in der Brümmerstraße. Dort führen mich der Doktorand Adem Hiko und eine medizinisch-technische Assistentin herum. Hier erinnert nichts mehr an das Steak auf dem Teller: In den Laboren testen die Forscher zum Beispiel Bakterien auf ihre Resistenz gegen Antibiotika. Zahlreiche Geräte und Fläschchen mit Flüssigkeiten stehen ordentlich aufgereiht auf den sterilen Arbeitsflächen.

Die Fleischhygiene ist ein Teil des Studiengangs Veterinärmedizin. Angehende Veterinärmediziner, die sich nicht wie die meisten ihrer Kommilitonen auf die Kleintierpraxis spezialisiert haben, lernen unter anderem, wie man geschlachtete Tiere auf Krankheiten untersucht. Speziell dafür kauft das Institut untaugliche, tote Tierkörper, die im großen Demonstrationssaal auf dem Campus des Instituts in Mitte seziert werden.

Tierschutz ist immer wichtiger

Den Namen Fleischhygiene findet Fries irreführend: Es geht ihm um mehr. „Wir kümmern uns auch um das Tierwohlbefinden und die ethische Vertretbarkeit der Tierhaltung und -schlachtung.“ Versuche an lebenden Tieren werden am Institut nicht gemacht. Dennoch gibt Fries zu bedenken, dass sich jeder Tiermediziner mit dem Töten von Tieren auseinandersetzen muss. „In unserer Region ist das Töten von Tieren für die Ernährung gerechtfertigt. Wie es in 50 Jahren ist, weiß ich nicht. Beim Jagen, bei der Fischerei und beim Tierschutz wird es schon schwieriger. Das Töten muss seine Rechtfertigung haben.“

Auch die Massentierhaltung ist ein vieldiskutiertes Thema: „Mir soll erst mal bewiesen werden, dass eine Kuh sich unter tausenden anderen Kühen unwohler fühlt als mit zwei anderen“, sagt Fries. „Dann wäre auch New York Massenmenschhaltung“.

Fries sieht aber auch die Probleme der Massentierhaltung und schlägt vor, den Tieren eine Tages-struktur beizubringen, etwa indem man sie umtreibt. „Ich glaube, unsere Tiere werden zu doof gehalten. Sie werden zwar anschließend aufgegessen, aber man kann sie beschäftigen, sodass es für sie bis dahin nicht ganz so furchtbar wird.“

Am Institut für Fleischhygiene – oder besser: in der Veterinärmedizin – geht es also nicht nur um Krankheitserreger und die Optimierung der Produktion. Fragen der Ethik spielen eine immer wichtigere Rolle. Schließlich spiegelt sich das auch in der konsumierenden Gesellschaft wieder: Die Haltungsbedingungen und das Wohlbefinden der Tiere stehen zunehmend im Vordergrund.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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