„Bitte stören!”

Wer ist in der vorlesungsfreien Zeit noch an der Uni? Lisbeth Schröder traf Bibliothekar Uwe Hafemeister, der schon einige Studentengenerationen vorbeiziehen gesehen und seine ganz eigene Romanze geschrieben hat.

Bibliothekar Uwe Hafemeister vor der Tür zu seinem Büro. Foto: Lisbeth Schröder

Ein kleiner Zettel an seiner Tür ruft zum Stören auf: Bibliothekar Uwe Hafemeister in seinem Büro. Foto: Lisbeth Schröder

Auf dem Weg vom U-Bahnhof Dahlem-Dorf bis zur großen Mensa laufen täglich viele Menschen an dem unscheinbaren gelben Haus in der Otto-von-Simson-Straße 11 vorbei. Dort führt ein gerader Weg seitlich zur Bibliothek für „Klassische Archäologie“, in der Uwe Hafemeister seit nun 28 Jahren arbeitet. Wie die Bibliothek strotzt auch der ältere Herr von Wissen über längst vergangene Zeiten: „Als ich hier angefangen habe, saß ich noch an einer Schreibmaschine und habe auf Katalogkarten geschrieben“, erzählt er.

Damals, als es noch keine Online-Verzeichnisse von Büchern oder anderen Publikationen gab, mussten die Wissenschaftler erst einmal sämtliche Bibliotheken abklappern, ehe sie das entsprechende Buch fanden. Dabei konnte Hafemeister ihnen oftmals weiterhelfen. Wenn man die Bibliothek betritt, findet man ihn gleich zur Linken in seinem Raum. Den Computer nutzt er nun von früh bis spät, aber auch einige der Katalogkarten haben überlebt. An seiner offenen Tür hängt extra ein Schild: „Bitte stören“.

Wie wird man eigentlich Bibliothekar? Ganz ohne Umstände lief das bei Hafemeister nicht: „Ich wollte eigentlich Lehrer werden. Ich habe nach dem Abitur Latein und Griechisch studiert und war fast fertig. Plötzlich hatte ich eine Familie – ich brauchte Geld.“ Eine befreundete Lehrerin bat ihn, ein Mädchen aus der DDR aufzunehmen. Aus reiner Nächstenliebe verlobte Hafemeister sich zum Schein mit dem Mädchen. Sie stellten einen Ausreiseantrag, der damals zur Ausbürgerung aus der DDR notwendig war. „Und dann – habe ich mich aus Versehen tatsächlich verliebt und umgekehrt.“ Ihre Scheinbeziehung wurde zu einer echten.

Die Bibliothek als Raum der Begegnung verschwindet

Nach drei Jahren konnte die Verlobte, mittlerweile im siebten Monat schwanger, nach West-Berlin ausreisen. Hafemeister begann in der Staatsbibliothek zu arbeiten, um die Familie zu versorgen. Da er Latein konnte, wurde er eingestellt, um alte Schriften, unter anderem lateinische Dissertationen, zu übersetzen und zu katalogisieren. Nachdem sein Vertrag ausgelaufen war, heuerte er 1986 als Bibliothekar an der FU an.

Im Laufe der Jahrzehnte kamen immer weniger Studenten in die Bibliothek. Hafemeister sieht darin eine Folge des digitalen Zeitalters und steht dem kritisch gegenüber. „Die Bibliothek bedeutet soziale Aktivitäten und Begegnungsmöglichkeiten. Wenn ich in der Bibliothek sitze, kann ich auch die Liebe meines Lebens kennen lernen, am Bildschirm weiß ich das nicht so genau.“ Er selber liest auch in seiner Freizeit gerne, am liebsten Literatur abseits der Bestsellerlisten. Denn seiner Meinung nach bestärken die Verlage mit ihren Werbekampagnen nur allzu oft schlechte Autoren, wenn sie mit ihnen mehr Geld machen könnten. „Wenn einer nur problematisches Zeug schreibt, kann man das nicht gut verkaufen.“

Hafemeisters eigenes Leben deutet indes auf ein klassisches Happy End hin: Was ist aus ihm und dem Mädchen geworden? „Wir sind seit 500 Jahren verheiratet.“, sagt er und lacht. Sie heirateten drei Jahre nach der Verlobung und lieben sich bis heute.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.