Ein Tag in: Lichtenberg

Da will doch keiner freiwillig hin? Lichtenberg ist unter Berlinern nicht allzu beliebt. Dass sich ein Besuch trotzdem lohnt, zeigt Julian Daum in Teil II unserer Semesterferien-Serie.

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Rechte, Asiaten und ein paar Studenten: Das dürften die ersten Assoziationen sein, die der Durchschnittsberliner mit der Weitlingstraße verbindet, die sich vom Bahnhof Lichtenberg aus einen Kilometer nach Südwesten erstreckt. Wirklich kein Ort, den man besuchen will. Zugegeben, rein optisch könnte man dort wohnen. Es ist so schön ruhig an diesem Ort, dem kopfsteinbepflasterten Innbegriff deutscher Spießigkeit, wo soziales Prekariat und eine Handvoll Studenten unter einem Dach zusammen kommen, weil sie in Friedrichshain nichts mehr gefunden haben. Auch die in den 1990-er Jahren von Nazis besetzten Häuser sind inzwischen geräumt, fast alles wurde grundsaniert, die NPD-Plakate hängen höher.

Trotzdem: Kann man den Tag aktiv hier verbringen? Den ganzen? Was soll man da machen? Vielleicht mal bei dem Nachbarn mit der reichsdeutschen Flagge am Balkon klingeln, möglicherweise ist der ja doch ganz nett? Oder die Tochter eines der gefühlten 15 asiatisch geführten Bekleidungsgeschäfte auf einen Kaffee bei „Heinos Imbiss“ einladen? Mit großer Wahrscheinlichkeit versteht sie kein Wort. Man könnte sich auch mit den Homeboys und tribal-körperbeschmückten Mädels auf der Bank vorne bei REWE anfreunden und mal nachfragen, was die da eigentlich den ganzen Tag so machen. Ernsthaft: Keine wirklich prickelnden Aussichten für einen gelungenen Tag.

Müßiggang und Zappelei

Ehrlich gesagt, ist hier – abgesehen von einigen unauffälligen Altbaufassaden im Jugendstil – nicht viel los. Aber der Bezirk hat auch charmante Seiten, man muss die Suche nur etwas makroperspektivischer angehen: Am Ende der Weitlingstraße, Ecke Lückstraße, verlässt man den Kiez und geht weiter durch eine Grünanlage, am Nöldnerplatz und an der Kleingartenanlage „Paradies“ vorbei, bis man schließlichdas Rummelsburger Ufer erreicht. Der perfekte Ort, um vorbei an alten Fabrikgebäuden um den Rummelsburger See zu flanieren, ein Buch zu lesen und die Seele baumeln zu lassen. Wer es mag, kann sogar angeln. Und Friedrichshain ist auch gleich um die Ecke. Eigentlich ganz nett hier.

Nach einem so entspannten Tag ist abends sogar noch körperliche Betätigung möglich: Entweder man bleibt in der Gegend und geht ein bisschen zappeln in die „Rummels Bucht“: ein von den Massen weitgehend unentdeckter Club in anständig abgerissenem Backsteinambiente. Oder man nimmt ein paar Schritte in Kauf und verbringt, nach einer Aufwärmrunde im Bouldertempel Ostbloc, gleich das ganze Wochenende im Sisyphos – dem während der fast ganzjährigen Sommersaison in Sachen verspulter Realitätsflucht vielversprechendsten Club der Stadt.

Zusammenfassend, lieber Weitling, lieber Rummel: Bezüglich abendlicher Freizeitaktivitäten könnt ihr durchaus mit einer kleinen und feinen Auswahl aufwarten. Jene Besucher, die sich aber auch einen ereignisreichen Tag versprechen, können bei euch lange suchen. Für die ist aber Friedrichshain gleich nebenan.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Max sagt:

    Ihr stellt tatsächlich Asiaten und Studenten in eine Reihe mit Rechten, um dann zu sagen, dass man wegen diesen drei Gruppen dort nicht hin will? Das kommt echt schräg rüber! Ich hoffe sehr, dass das nur unüberlegt geschehen ist.

    Allerdings hege ich da leise Zweifel, denn es kommt diese Passage hinzu: “Oder die Tochter eines der gefühlten 15 asiatisch geführten Bekleidungsgeschäfte auf einen Kaffee bei „Heinos Imbiss“ einladen? Mit großer Wahrscheinlichkeit versteht sie kein Wort.” Das ist absolut deplatziert und rassistisch!
    Viele der Asiaten sind vietnamesischen Ursprungs und bereits zu DDR Zeiten nach Ost-Berlin bzw. Lichtenberg gekommen. Eine große Mehrheit und vor allem die hier aufgewachsene zweite oder dritte Generation ist oftmals besser integriert und ausgebildet als viele andere Gruppen, spricht sehr gut deutsch und arbeitet hart. Ein einfacher Blick in die Wikipedia zeigt u.a., dass “[r]und 15 Prozent der Schüler an Lichtenberger Gymnasien einen vietnamesischen Migrationshintergrund [haben]”.

    Ansonsten noch ein Tipp für euch: Ein Besuch des Tierparks lohnt sich ebenso wie ein Besuch des Schlosses Friedrichsfelde usw. usf.. Wenn ihr also über Lichtenberg schreibt, dann bitte nicht nur über den kleinsten Zipfel im Süden, lasst den Alltagsrassismus in der Tüte stecken und recherchiert ein wenig gründlicher. Die Idee der Serie hat ja durchaus ihren Reiz.

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