Monroe und Hochkultur – das passt!

Die Vorlesung „Mein Roman“ wird mit einem Plakat angekündigt, das Marilyn Monroe mit James Joyces Ulysses zeigt. Viele halten dieses Plakat für sexistisch. Angelina Eimannsberger zeigt, warum das nicht stimmt.

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Passt ein „dummes Blondchen“ zu einer Univorlesung? Die Ringvorlesung „Mein Roman“ wird vom Peter-Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in diesem Semester angeboten, als reguläre Vorlesung und im Rahmen des Offenen Hörsaals. Das Plakat zeigt Eve Arnolds Fotographie „Marilyn on Long Island (New York) reading James Joyce’s Ulysses“ aus dem Jahr 1955. Manche Studierende finden, dass dieses Bild provoziert, weil es sich darüber lustig zu machen scheint, dass eine schöne Frau ein kompliziertes Buch liest.

Ulysses gilt als sehr schwer zu lesendes Meisterwerk moderner Literatur. Hält man Marylin Monroe nicht gerade für einen hellen Kopf, kann das Plakat als antifeministischer Spott gesehen werden, als Missbrauch der attraktiven Schauspielerin, um ein möglichst breites Publikum anzulocken. Monroe erscheint in dieser Lesart als Gegenteil von Ulysses – simpel statt komplex, populär statt künstlerisch hochwertig, eine attraktive Frau statt eines intellektuellen Mannes.

Monroe und Ulysses - warum sollte das nicht zueinander passen? Quelle: fu-berlin.de

Monroe und Ulysses – warum sollte das nicht zueinander passen? Quelle: fu-berlin.de

Monroe als „dummes Blondchen“ funktioniert nicht mehr

In „Joyce and popular culture“ widmet sich ein Essay von Richard Brown dieser Fotografie. Bemerkenswert ist besonders folgende Beobachtung: „Marilyn no longer functions for younger readers as the symbolic ‚dumb blonde’ […] so much as she is a symbol for the constructedness of cultural forms.“ Als Zeitgenossinnen von Lady Gaga und anderen Meisterinnen der (Selbst-)Inszenierung können wir heute leicht glauben, dass Monroe Joyce liest. Es ist nicht nötig – nicht einmal nahe liegend – zu denken, sie wäre zu dumm, um diesen Roman zu verstehen.

Wir wissen, dass hinter dem Erfolg von Pop-Ikonen wie Monroe viel mehr steht als ihr attraktiver Körper. Zudem ist in diesem Ausschnitt der Originalfotographie nur ein unscheinbarer Teil der Beine zu sehen. Auch sonst ist Monroes körperliche Präsenz sehr zurückgenommen. Ihre Augen sind nicht auf die Kamera, sondern das Buch gerichtet.

Allerdings ist es beunruhigend, dass ein so altes kulturelles Dokument wie eine Fotographie von Marilyn Monroe gewählt wird, um die Vorlesung anzukündigen. Lana del Rey singt zum Beispiel über „Lolita“ von Vladimir Nabokov, einen anderen ganz großen Roman – warum wurde kein zeitnaher Bezug gewählt, wenn schon eine Annäherung an Popkultur unternommen wird?

Das Plakat ist ein schöner Eyecatcher. Und ein guter Hinweis, dass wir uns, so wie es Marilyn vormacht, an schwere literarische Kost selbst heranwagen müssen. Dabei müssen wir möglichen Spott ertragen, wenn wir uns tatsächlich bilden wollen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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