Außer Uni: Der um die Freiheit kämpft

Christoph Witt liebt das Tempelhofer Feld. Aber er sieht es bedroht. Deswegen engagiert sich der FU-Student ehrenamtlich in der Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“. Von Maik Siegel

Christoph Witt in Aktion auf dem Tempelhofer Feld. Foto: Maik Siegel

Christoph Witt in Aktion auf dem Tempelhofer Feld. Foto: Maik Siegel

Der Wind pfeift den Passanten ungeschützt um die Ohren und verschluckt fast die Frage, die Christoph an diesem Nachmittag einige Dutzend Mal stellt: „Möchten Sie Informationen über unsere Initiative?“ Hinter ihm glänzt eine Freifläche im Sonnenlicht, größer als der Central Park in New York, auf der sich Spaziergänger, Windsurfer und Skateboardfahrer tummeln. Es ist das Tempelhofer Feld, die meist umkämpfte Fläche Berlins. Christoph ist einer von denen, der um sie kämpft.

Seit der Tempelhofer Flughafen 2010 geschlossen und seine Fläche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, zählt das Feld mit seinen Wiesen und Landebahnen zu einem der beliebtesten Ausflugsziele in der Hauptstadt. Lange ließ der Senat das Gelände unverändert, nun soll es an den Rändern bebaut werden – mit Gewerbegebäuden, mehr als fünfstöckigen Hochhäusern und einem künstlichen See. Die Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ wehrt sich gegen die Bebauung. Sie möchte das Feld behutsam entwickeln – Bäume pflanzen ist erlaubt, Häuser dagegen nicht. „Die Pläne vom Senat sind einfach scheiße“, sagt Christoph wütend und schaut auf die zahlreichen Menschen, die sich an diesem Sonntag auf dem Rasen fläzen oder auf dem Asphalt flanieren.

Ein Herzensanliegen

Die Initiative ist ihm ein Herzensanliegen. In Tempelhof aufgewachsen, hat er die Geschehnisse um den Flughafen aus der Nähe verfolgt. An dem Tag, als aus dem Flughafen ein Feld wurde, betrat Christoph als einer der ersten die gigantische Freifläche, genoss die Weite. So war für ihn klar, dass er etwas gegen die Pläne des Senats unternehmen wollte. Seit vergangenem Herbst war er deswegen auf den Straßen Berlins unterwegs, um Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln. In der S-Bahn, in den Mensen der Unis, auf Weihnachtsmärkten – überall sprach er die Menschen an. Da blieb neben dem Ehrenamt oft keine Zeit für andere Dinge, die Masterarbeit des Germanistikstudenten musste erst einmal ruhen.

Doch die Mühe lohnte sich: Am 23. Januar war klar, dass es zur Abstimmung um die Zukunft des Tempelhofer Feldes kommen würde, Christoph und seine Mitstreiter hatten genügend Stimmen gesammelt. Die Arbeit ist damit jedoch noch nicht vorbei: Auch jetzt verbringt er viel Zeit damit, Menschen über die Initiative zu informieren. Leicht ist das nicht immer. „Du musst schon ein dickes Fell aufbauen, wenn du das erste Mal in der S-Bahn die Stimme erhebst oder Leute denken, dass du ihnen etwas andrehen willst.“ Meistens jedoch gefallen ihm seine Einsätze: „Manchmal bist du echt genervt, aber dann triffst du wieder Eltern, die mit leuchtenden Augen vom Feld erzählen – dann weiß ich diese großartige Stadt wieder zu schätzen.“

Vielseitiges Engagement

Gab es zuvor noch ein Ziel mit klarer Aufgabe – Stimmensammeln für das Volksbegehren – so hat sich sein Engagement mit Blick auf die Wahl am 25. Mai geändert: Flyer entwickeln, Pressemitteilungen schreiben, Wähler informieren. „Wir können uns jetzt mehr kreative Aktionen überlegen – jeder hat die Möglichkeit, sich mit dem einzubringen, was er kann“, sagt der 26-Jährige. So hat er vor Kurzem mit einigen Leuten auf dem Feld ein Video gedreht, frei nach Pharrell Williams’ viralem „Happy“-Video. Gelernt hat er ebenfalls einiges: Gesetzestexte lesen, Hemmungen abbauen und Argumente kurz und präzise formulieren.

Wie es nach der Initiative mit ihm weitergeht, weiß Christoph noch nicht. Die Masterarbeit hat er inzwischen geschrieben, jetzt muss er sich um einen Job kümmern. Aber zunächst einmal wartet da noch der 25. Mai, die Wahl. Dafür wird er noch einige Wochen durch Berlin wandern und um das Feld kämpfen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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