Alma Mater hat jetzt Photoshop

Cecilia Fernandez würde sich ihrer Alma Mater gerne verbundener fühlen. Die FU versucht ihr Bestes mit universitären Selbstdarstellungen auf Storify – die aber sind dabei eher hinderlich als hilfreich.

glosse

Illustration: Robin Kowalewsky

Manchmal sehe ich in amerikanischen Filmen großgewachsene, breitschultrige Halbgötter in Sweatshirts mit der Aufschrift ihrer Universität stolzieren und denke mir: „So etwas hätte ich auch gerne.“ Ich meine nicht den Mann, nein, nicht einmal das Sweatshirt, sondern dieses Gefühl der Verbundenheit zur Alma Mater über die Studienjahre hinaus. Noch suche ich den Sinn für Zugehörigkeit zur universitären Mutter, die mich im Laufe meines Grundstudiums mit Seminaren nährte, in Klausuren badete und mir die Prüfungsordnung wechselte.

Auch die Freie Universität versucht immer wieder vergeblich, solche patriotischen Empfindungen zu schüren. Dafür produziert sie fleißig Pullover, Schlüsselanhänger und Taschen. Die neuesten Marketing-Highlights finden natürlich im Web 2.0 statt: zum Beispiel auf der FU-eigenen Storify-Seite.

Dort werden Studierende dazu aufgerufen, „ihren“ Campus in den ersten Wochen des Sommersemesters 2014 zu präsentieren. Was konkret bedeutet, über den Blumenkreis bei Dahlem Dorf und irgendeine Sitzbank in einer entlegenen Ecke der Rost- und Silberlaube zu schwärmen. Und sowieso alles zu fotografieren, was von der Frühlingssonne beschienen wird – ein sonniger Campus ist natürlich Markenkern jeder glücksversprechenden Universität. Weltbewegend. Schlichtweg ergreifend.

Kirschblüten und Klassiker – nur die halbe Wahrheit

Aber auch ein unangenehmer Regentag wirkt durch Instagramfilter plötzlich poetisch – so still und stoisch steht das Baugerüst, so perlenhaft rinnen die Tropfen über die Fensterscheibe. Das Bild entfaltet einen melancholischen Charme. Tatsächlich aber sind Regentage in Berlin nun wirklich keine kostbare Rarität, die einer Glorifizierung würdig wäre, und ihre unmittelbaren Konsequenzen sind schlammige Wege zwischen den Instituten.

Storify bietet eben nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Studierendenrealität: blühende Kirschbäume und verzierte Ausgaben literarischer Klassiker. Das wirkt auf Außenstehende wohl faszinierender, als auf diejenigen, die schon länger in dieser manchmal recht kalten Gebärmutter brüten.

Für mich bleiben die Bilder eine retuschierte Illusion. Storify weckt kein Gefühl von Loyalität, der Name der Alma Mater wird von meiner Brust so bald nicht prangern. Mutter kann noch so viel an den Kontrast- und Saturationseinstellungen schrauben – ihre tiefen Krähenfüße und bürokratischen Blicke vergesse ich nicht. Sondern suche weiter nach bessern Gründen, sie zärtlich zu lieben.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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2 Responses

  1. Paul W. sagt:

    Der Titel könnte auch heißen “Alle haben jetzt Photoshop”.: gähn Dass heute jeder, auch Studenten, überall *schöne* Motive von sich und ihrer Umgebung posten ist für mich ausnahmsweise mal nicht schuld der fu… immerhin sind keine Studiengebühren in diese Marketingbilder geflossen 😉

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