„Es geht uns zu gut“

Am Sonntag ist Europawahl. Die meisten interessiert das wenig. Wie die Uni versucht hat, Studierende für die europäische Politik zu begeistern und warum das Interesse so gering ist, fand Lior Shechori heraus.

Mit einer Podiumsdiskussion versuchte man die Studierenden der FU für das Geschehen auf der europäischen Ebene zu begeistern. Foto: Deutsche Gesellschaft e.V.

Mit einer Podiumsdiskussion versuchte man die Studierenden der FU für das Geschehen auf der europäischen Ebene zu begeistern. Foto: Deutsche Gesellschaft e.V.

Ob überhaupt jemand kommen würde, war nicht klar. Am Dienstag, dem 13. Mai, debattierten die fünf Berliner Spitzenkandidaten der aktuell im Europaparlament vertretenen Parteien vor Studierenden der FU. Die Europapolitiker sind es gewohnt, vor wenigen Menschen zu reden. Vor allem aber jungen Menschen fehlt das Interesse am politischen Geschehen in Europa. Der Diskussion am Otto-Suhr-Institut folgten immerhin 90 Studierende.

Mit ihrem Interesse für die Europäische Union liegen die nicht gerade im Trend. Laut Angaben des Bundeswahlleiters lag die Wahlbeteiligung in Deutschland während der ersten Europawahl 1979 bei nur knapp 66 Prozent – bis 2009 sank sie auf 43 Prozent. Bei den Wahlberechtigten unter 25 Jahren entschieden sich sogar nur 32 Prozent, ihren Stimmzettel abzugeben.

Warum dieses Desinteresse? „Es geht uns eigentlich zu gut“ sagt Tanja Börzel, Leiterin der Arbeitsstelle Europäische Integration am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft. „Die Menschen haben keinen unmittelbaren Leidensdruck und setzten ihre Prioritäten deswegen anders“. Selbst die Krisenerscheinungen der vergangenen Jahre scheinen die Bevölkerung des Landes nicht an die Wahlurnen zu treiben. Deutschland trifft es dafür offensichtlich nicht hart genug.

Ein Teilnahmeschein als Köder

Also versucht es die Politik mit Appellen. Als ein solcher Appell sollte auch die Podiumsdiskussion wirken. Gemeinsam mit dem Europäischen Informationszentrum sowie der Europa-Union Berlin veranstaltete das europäische Dokumentationszentrum der FU die Debatte. „Die Hoffnung war, dass durch die Diskussion zwischen den Spitzenkandidaten deutlicher wird, welchen Einfluss das europäische Parlament hat und, dass die Parteien unterschiedliche Positionen zu wichtigen Themen vertreten, die auf europäischer Ebene diskutiert werden“, erklärt Börzel.

Letztendlich hatte das vordergründig große Interesse an europapolitischen Fragen an diesem Abend dann doch einen kleinen Beigeschmack: Rund 40 Prozent der Anwesenden waren Studierende der Politikwissenschaft, die für das Mitwirken an der Debatte einen Teilnahmeschein erwerben konnten. „Wir wollten einen positiven Anreiz stellen und auf eine nette Art und Weise Studierende motivieren, sich politisch zu informieren“, so Börzel. Selbst unter Politikstudierenden hat Europa also nur wenige glühende Fans.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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