Der Mindestlohn für Praktika ist nicht nur inkonsequent – er schadet auf lange Sicht auch den Studenten. Ihnen stehen in Zukunft weniger Praktikumsplätze zur Verfügung. Von Florian Schmidt
Zugegeben, es ist unklar, wie viele Arbeitsplätze der Mindestlohn von 8,50 Euro vernichten wird. Gerade mit Blick auf andere Industriestaaten wie Großbritannien und Frankreich, die schon lange eine ähnliche Lohnuntergrenze haben, streiten die Ökonomen, ob er sich überhaupt im großen Stil auf die Beschäftigungsrate niederschlagen wird.
Unumstritten ist allerdings, wer das neue Gesetz in jedem Fall zu spüren bekommen wird. Treffen wird die Regelung all jene, die sich mit längeren Praktika auf dem Arbeitsmarkt orientieren wollen, sprich: uns Studenten. Uns bringt der Mindestlohn gar nichts, im Gegenteil – er schadet uns! Denn langfristig stehen die Studenten ohne Praktikumsplätze da.
Das neue Gesetz klammert Pflichtpraktika vom Mindestlohn aus. Wer also von Uni wegen aus eines absolvieren muss, den können Unternehmen auch in Zukunft schlecht oder gar nicht bezahlen. So schön das Präfix „allgemeingültig“ klingt – für jeden, der im Rahmen der Allgemeinen Berufsvorbereitung (ABV) ein Praktikum absolviert, gilt es nicht.
Das jedoch ist nicht das Schlimmste. Härter noch trifft das Gesetz diejenigen, die abseits vom Pflichtteil Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln wollen. Denn die Regelung schreibt fest: Für jedes Praktikum, das länger als sechs Wochen dauert, gibt es keine Ausnahme. Ab 2015 müssen Firmen und Behörden bei längeren Praktika, wie sie für Studenten sinnvoll sind, pro Stunde 8,50 Euro zahlen.
Theoretisch ist das zwar begrüßenswert, doch in der Praxis sieht es anders aus. Unlängst haben Arbeitgeberverbände angekündigt, dass sie in diesem Fall deutlich weniger Traineeprogramme und Hospitanzen anbieten können, weil sie zu teuer werden. Das ist verständlich: Geht man von einem Vollzeitpraktikum aus, bei dem ein Student pro Woche 40 Stunden anwesend ist, türmt sich durch den Mindestlohn pro Praktikant und Monat die stattliche Summe von mindestens 1360 Euro auf – Überstunden nicht einkalkuliert.
Diese Summe liegt weit über dem üblichen Lohn, den Praktikanten heute vielerorts erhalten; wenn sie überhaupt einen bekommen. Das Gesetz wird so dafür sorgen, dass ein wichtiger Teil der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt wegfallen wird. So wünschenswert es wäre, dass wirklich alle den Mindestlohn erhalten, so groß sind auch die Hindernisse, die er speziell Studenten in den Weg legt. Viel besser wäre es deshalb, Praktika gänzlich von der Regelung auszuklammern, sodass auch in Zukunft jeder Praktikant selbst über die Höhe seines Lohnes verhandeln kann.
Also Ausnahmen sind grundsätzlich nichts schlechtes, da sie ermöglichen auf individuelle Begebenheiten einzugehen. Das Praktikums Problem hat andere Ursachen.Ob es begrüßenswert ist, dass Praktikumsangebote komplett zurückgefahren werden, da diese durch nichts ersetzt werden ist auch fragwürdig. Besser wäre doch das Studenten ihre Verhandlungsposition als Gemeinschaft stärken würden und grundsätzlich Mindestforderungen an ein Praktikum formulieren. Im härter werdenden Kampf um Nachwuchs, Fachkräften etc. können somit Unternehmen unter Zugzwang gesetzt werden, so dass sich in Zeiten sozialer Medien keines mehr trauen würde von diesem Kodex abzuweichen. Dies muss nicht in Form eines Mindestlohnes sein, es kann auch einer Deckung der studentischen Lebenshaltungskosten entsprechen.
Ich kann mich Arne nur anschließen. Konzentriert Euch lieber auf Euer Studium als ohne Lohn für andere zu arbeiten in den Semesterferien. “Praxiserfahrung” gewinnt man in der Phase zwischen Berufseinstieg und Rente noch genug. 😉
Ach ja, der Mindestlon wird also dazu führen, dass weniger Praktika angeboten werden. Na und? Etwas besseres kann gar nicht passieren.
Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Dominanz der neoliberalen Leitkultur und dem Aufkommen dieser sozial selektiven Praktikumskultur. Erschreckend ist nur, wie unkritisch diese Ausbeutungspraxis von heutigen Studentengenerationen hingenommen und als selbstverständlich gesehen wird. Ein Artikel, der Angst macht.