Im Hier und Jetzt bleiben

Meditation gegen Depressionen und Konzentrationsschwäche? Forscher der FU wollen herausfinden, ob regelmäßige Übungen Symptome von Depressionen lindern können. Von Lisbeth Schröder

Illustration: Robin Kowalewsky

Illustration: Robin Kowalewsky

Zahlen, die vor meinen Augen verschwimmen. Es könnte so einfach sein – Die Gleichung integrieren, die pq-Formel anwenden, X ausrechnen. Ich, 23, Studentin beuge mich über meine Klausur: ,,Moment, das ist nicht das richtige Ergebnis! Schon fünf Minuten sind um? Der neben mir hat die Aufgabe bestimmt schon gelöst.“ Mein Sitznachbar hat die Aufgabe vielleicht tatsächlich schon gelöst, da seine Gedanken nicht zu seiner Sitznachbarin abschweifen. Seine volle Konzentration ist dem Blatt vor ihm gewidmet.

Wie oft passiert es, dass wir mit unseren Gedanken abdriften? Wie oft fällt es uns schwer, uns auf die derzeitige Situation zu konzentrieren? Studien zufolge hängen wir in beinahe 50 Prozent unserer Zeit verschiedenen Tagträumen nach. Sogar beim Sex sollen die Gedanken in 10 Prozent der Fälle bei etwas Anderem sein. Ablenkung und Konzentrationsschwierigkeiten hängen unmittelbar zusammen. Letztere können auch ein Hinweis auf eine Depressionserkrankung sein.

Schweifen wir mit unseren Gedanken an die FU: Im Gang 33 der Rost- und Silberlaube befindet sich das Cluster ,,Language of Emotion“. Die Forschungseinrichtung beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen Emotionen und Sprache, Kunst, Kultur und Gesellschaft. Emilia Winnebeck forscht dort gemeinsam mit Maria Fißler und Thorsten Bornhofer zum Zusammenhang von Achtsamkeitsmeditation und Depressionen. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob Achtsamkeitsmeditation zur Veränderung von Depressionssymptomen führt. Meditation könnte der Schlüssel zur Fähigkeit sein, seine Gedanken auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und damit Depressionssyptome, wie zum Beispiel das ewige Grübeln, zu reduzieren.

Jeden Tag meditieren

,,Es geht darum, dem Moment seine volle Aufmerksamkeit zu schenken, ohne ihn dabei zu bewerten. Das heißt, man ist mit allen Sinnen im Hier und Jetzt und schweift in Gedanken nicht in die Vergangenheit oder Zukunft ab. Dafür muss man aber zunächst verstehen lernen, wann und wohin die Gedanken eigentlich wandern“, so Winnebeck. Die Teilnehmer der Studie sollen dazu zwei Wochen lang je eine Stunde verteilt über den Tag meditieren. In den Meditationsphasen konzentrieren sie sich auf ihre Atmung, ihren Körper, sie umgebende Geräusche oder ihre gedanklichen Vorgänge. Veränderungen werden anhand von Fragebögen, Reaktionszeitaufgaben und Gehirnaktivität gemessen. Schafft man es irgendwann sich während der Meditationsphasen auf den Moment konzentrieren, sollte sich diese Fähigkeit auch auf andere Situationen, wie beispielsweise eine Klausur, übertragen lassen.

Die Achtsamkeitsmeditation kann daher ein Weg gegen Konzentrationsschwierigkeiten, aber auch gegen Depressionen sein. Denn die Gedanken, zu denen wir abschweifen, sind oft sowohl Auslöser als auch Folge von schlechter Stimmung. ,,Wir versuchen im Kopf Probleme zu lösen, die in Gedanken häufig nur schwer zu lösen sind und grübeln uns so immer stärker in eine schlechte Stimmung hinein. Häufig passiert das unbewusst und wir merken erst viel später, wie sich das auf unsere Stimmung und unsere Handlungen ausgewirkt hat“, so Winnebeck. ,,Das Achtsamkeitsmeditationstraining soll dabei helfen diesen Teufelskreis früher zu erkennen, daraus auszusteigen und in das Hier und Jetzt zurück zu kommen.“

Nicht jedes Abschweifen von Gedanken bedeutet aber schlechte Stimmung. In Maßen helfe dem Erinnerungsvermögen, der Zielsetzung und fördere die Kreativität, betont Winnebeck. Ab und zu ein kurzer Wechsel in die Gedankenwelt sei wichtig und unverzichtbar. Wer sich trotzdem wünscht, sich stärker auf den Moment konzentrieren zu können, kann sich noch für die Studie anmelden. Sie läuft bis Ende 2014. Die Ergebnisse werden in jedem Fall meine volle Aufmerksamkeit genießen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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