Menschenknochen auf dem Campus

Bauarbeiter stießen bei Sanierungsarbeiten auf dem FU-Gelände auf Menschenknochen. Es handelt sich dabei womöglich um Überreste der Mitwirkung an NS-Verbrechen eines ehemaligen Forschungsinstitutes. Von Friederike Oertel

Das Kaiser-Wilhelm-Institut in den 30er Jahren mit NS-Beflaggung.
Quelle: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft

Am vergangenen Dienstag fanden Bauarbeiter bei Sanierungsarbeiten an den Außenanlagen der Universitätsbibliothek der FU Knochen. Beim Ausheben der Erde und Anlegen eines Schachtes in der Harnackstraße stießen sie auf die Überreste, teilte ein Pressesprecher der FU mit. „Die Bauarbeiten auf dem Grundstück wurden daraufhin vorübergehend eingestellt und die Polizei verständigt“, so der Pressesprecher weiter. Nach ersten Untersuchungen steht nun fest: Bei dem Fund handelt es sich um menschliche Überreste. Die Knochen werden derzeit gerichtsmedizinisch auf Alter und Herkunft untersucht.

In verschiedenen Zeitungsmeldungen zur Entdeckung der Überreste wird darauf hingewiesen, dass sich wenige Hundert Meter von der Fundstelle entfernt das ehemalige Kaiser-Wilhelm-Institut befindet. Das langgestreckte Gebäude auf der Ihnestraße 22 gehört heute zum Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU. Es war bereits 1927 ein Ort der Wissenschaft. Und ein Symbol ihrer Abgründe: Wo heute Politik-Studenten ein und aus gehen, haben damals Wissenschaftler die „menschlichen Rassen“ erforscht. Im Gebäude befand sich zwischen 1927 und 1945 das „Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik“.

Mitwirkung an NS-Verbrechen

Die Vermutung liegt nahe, dass die gefundenen Überreste womöglich aus dieser Zeit stammen. Um Fragen der „Rassenhygiene“ in der Wissenschaft zu etablieren, wurden am Institut Sippentafeln erstellt, Schädel vermessen und Fotografien ausgewertet. Der Institutsleiter Eugen Fischer sammelte zu diesem Zweck Schädel und Skelette von in den deutschen Kolonien zu Tode gekommenen Menschen auf dem Dachboden des Gebäudes. Ab 1933 stellte der überzeugte Rassenhygieniker seine Forschungen „voll und ganz für die Aufgaben des jetzigen Staates zur Verfügung“.

Unter Hitler wurde in der Ihnestraße 22 so eine wissenschaftliche Legitimationsgrundlage nationalsozialistischer Rassenpolitik geschaffen. Als Experten, Gutachter und Berater im Sinne der NS-Rassenpolitik leisteten die Mitarbeiter des Instituts einen aktiven Beitrag zu Selektion und Mord. Am Institut wurden unter anderem Blutproben und Leichenteile ermordeter KZ-Häftlinge untersucht, die der KZ-Arzt Josef Mengele aus dem Vernichtungslager Auschwitz nach Dahlem schickte.

Aufklärung steht noch aus

Nur wenige Spuren erinnern an die Geschichte des Gebäudes: Neben der Eingangstür informiert eine Gedenktafel die Vorbeigehenden über die Mitwirkung der Rassenforscher an den Verbrechen des Nationalsozialismus.

Ob eine Verbindung zwischen dem Fund der Menschenknochen und den Untersuchungen an Leichenteilen von KZ-Häftlingen am Kaiser-Wilhelm-Institut besteht, ist bisher noch nicht bestätigt. „Die Untersuchungen durch die Polizeibehörde laufen, genauere Informationen liegen jedoch noch nicht vor“, teilte der Pressesprecher der FU mit. Nach Angaben der Polizei werden die gerichtsmedizinischen Untersuchungen des Knochenfundes mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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