In einigen Studiengängen sollen wesentlich mehr Studenten zugelassen worden sein als vorgesehen – die Folge sind hoffnungslos überfüllte Kurse. Von Francis Laugstien
Das war selbst für das sonst stark frequentierte Mensafoyer ungewöhnlich: Um die Mittagszeit machte sich ein ganzer Französischkurs neben dem Couchcafé der Kritischen Orientierungswoche in der Lobby breit. Dahinter steckte die Initiative „Uni auf den KOPF stellen“. Ihr Vorwurf: Die FU habe in diesem Semester in einzelnen Fächern sehr viel mehr Bewerber zugelassen, als sie Kapazitäten hat. Diesen Missstand will die Initiative nun öffentlich machen.
Stark betroffen ist unter anderem der Master Philosophie. Für 36 Studienplätze verschickte die Uni hier 117 Zulassungen. Zwar nahmen letztlich nur 68 Bewerber den Platz an. Die Auslastung des Studiengangs liegt damit aber immer noch bei 189 Prozent. Die Theaterwissenschaft weist mit 174 Prozent Überbuchung (im 90LP-Kernfach) einen ähnlich hohen Wert auf. Der Master der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft ist mit 154 Prozent überbucht. Die Zahlen hat die Initiative „Uni auf den KOPF stellen“ einer offiziellen Statistik des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften entnommen.
Konrad Riedel, Mitglied der FSI Philosophie und Mitinitiator von „Uni auf den KOPF stellen“, sagte, dass die Praxis womöglich mit Leistungsvorgaben aus den Hochschulverträgen zusammenhängt. „Für volle Zuschüsse muss die Uni einerseits ihre Studienplätze voll ausschöpfen und andererseits möglichst viele Studierende zum Abschluss führen.“ Daher lasse sie eine größtmögliche Anzahl an Bewerbern zu. Auf Anfrage von FURIOS bestätigte die FU, dass sie gesetzlich zur Auslastung ihrer Kapazitäten verpflichtet ist. Dies sei aber nicht ausschließlich auf die Hochschulverträge zurückzuführen. Bei der Zulassungesquote richte sich die Uni nach dem Annahmeverhalten aus den Vorjahren. “Dabei handelt es sich um eine Prognose, die nicht ohne Risiko ist”, sagte ein Pressesprecher.
Studierende und Lehrende leiden unter Situation
In manchen Veranstaltungen herrsche regelrechtes Chaos, berichten Studierendenvertreter. Immer öfter müssten Studierende ohne Tisch auskommen. In Extremfällen gebe es nicht einmal genügend Stühle. Den Dozenten ergehe es nicht besser. Mehr Studenten bedeuteten für sie mehr Arbeitsaufwand, den die Uni bislang nur ungenügend durch neue Stellen kompensiert habe, so sehen es Studenten wie Dozenten. Auch deshalb solidarisiert sich die Initiative „Uni auf den KOPF stellen“ mit dem parallel stattfindenden Tag der Lehrbeauftragten.
Angst um seinen Studienplatz muss aber niemand haben. Riedel geht es nicht darum, Studenten wieder loszuwerden. „Wenn man sich pauschal gegen Überbuchung ausspricht, läuft man Gefahr, dass kleinere Institute geschlossen werden.“ Mit mehr Studierenden in den großen Fächern könne die Uni die Unterbelegung der kleinen Fächer ausgleichen, so Riedel. Dies könne aber natürlich keine Dauerlösung sein. Er fordert stattdessen mehr Lehrkräfte.
Hauptziel sei, auf das Problem aufmerksam zu machen und eine Diskussion anzustoßen. Damit gibt sich „Uni auf den KOPF stellen“ aber noch nicht zufrieden. Die Überbuchung soll nicht das einzige Thema der Initiative bleiben. Missstände gebe es an der Uni genug.
Anm. d. Red.: Im dritten Absatz wurde nachträglich die Stellungnahme der FU eingefügt.
1. Bringen auch Studierende, die ihr Studium nicht abschließen, der Uni “Fördergelder”. Wenn sie es sehr frühzeitig abbrechen, kann das pro Semester sogar mehr sein als wenn sie ihren BA in 8 Semestern abschließen.
2. Warum ist die Frage nach dem tatsächlichen Abschließen von Studiengängen die naheliegende und wichtige Gegenfrage zur extremen Überbuchung einiger Institute?
3. In Mathe und Physik steht regelmäßig “alle zugelassen” in der NC-Tabelle, weil sich noch nie deutlich zu viele Menschen beworben haben und nicht, weil viele abbrechen.
4. Ja, auch in der Philosophie brechen wohl viele ab. Dazu interessant wäre übrigens eine regelmäßige und öffentliche Statistik der FU. Mit dem veröffentlichen von Zahlen hat unsere Uni es aber nicht so.
5. Sicher gibt es einen Grund für die Überbuchung. Aber wenn sich die Entscheidungsträger nicht in die Karten schauen lassen, dann kann man nur plausibel spekulieren. Sicherlich hätte es dem Artikel gut getan, noch von jemand anderem eine weitere plausible Vermutung einzuholen. Mehr ist aber nicht möglich, wenn die Entscheidungsträger ihre tatsächlichen Gründe nicht preisgeben wollen.
6. Es geht hier nicht darum, dass regelmäßig Seminare gefühlt zu voll sind. Dass kommt insbesondere in der Philosophie regelmäßig vor, weil das Institut soweit möglich gegen Platzzahlbeschränkungen ist. Daher sind dann bestimmte Seminare sehr voll, andere hingegen weniger. Es geht hier darum, dass in der Philosophie im BA-Kernfach wie im Master fast doppelt so viele Studierende eingeschrieben wurden wie offiziell Plätze vorhanden sind. Das fällt in diesem Semester in den Erst-veranstaltungen nicht als so extrem auf, wie es ist, weil das Institut entsprechend viele zusätzliche Seminare anbietet. Einerseits über kurzfristig organisierte und schlecht bezahlte Lehraufträge, andererseits über das “Vorziehen” von Lehre. D.h. Die Lehrenden unterrichten mehr SWS als ihr Deputat ist und müssen dass irgendwann wieder “abbummeln”.
7. Dass du persönlich zu Wort kommst, heißt nicht, dass Seminare eine ausreichend offene Diskussionsatmosphäre für alle haben. Ich komme auch immer zu Wort, wenn ich das möchte. Von uns beiden nicht-repräsenatativen Einzelfällen dürfen wir aber nicht auf die Gesamtheit der Studierenden schließen.
8.1. Meine Forderung muss besser geprüft werden als was? Wurde sie bisher überhaupt von irgendwem geprüft?
8.2. Wenn die Lösung des “Studienabbruchproblems” nicht in Investition in die Bildungsbedingungen – insbesondere den Lehrkörper – besteht? Worin denn dann? Zwangsexmatrikulation von Studierenden die hinterm Sollplan liegen? Dafür dass du ne ganze Menge von mir und dem Verfasser des Artikels verlangst, bietest du hier ziemlich wenig.
8.3. Du lieferst nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass eine Investition in mehr Lehrende ökonomisch nicht funktionieren kann.
8.4. Warum ist das ökonomische Funktionieren hier überhaupt die einzig erwähnenswerte Kategorie?
Wenn du ein echtes Interesse an diesen Vorgängen hast, dann komm doch gerne zu unseren Treffen und bring dich ein. Wir treffen uns das nächste mal morgen von 11.00 bis 13.00 Uhr im GER-O-MAT. Ansonsten findest du unsere Treffen auf unserer Facebookpage.
Dass es an dieser Universität momentan einen argen Überschuss an Studenten gibt, daran besteht wohl kein Zweifel. Dieser Artikel beleuchtet allerdings nur eine Seite der Medaille. Wenn es bestimmte Studiengänge gibt, die von einer Überbuchung betroffen sind, muss wohl auch gefragt werden, wie viele dieser Studenten, Ihr Studium eigentlich auch erfolgreich abschließen, sprich der Uni am Ende wirkliche Fördergelder bringen.
Wenn ich einen Studiengang wie Mathematik oder Physik betrachte, in welchem es innerhalb des ersten Studiendrittels immense Abbrecherquoten gibt, ist vollkommen verständlich, dass ich in den NC-Listen durchgehend die Bemerkung “alle zugelassen” finde. Wie verhält sich dies in der Philosophie, bekanntlich doch ein Fach (ich studiere es selbst), in dem lange oder gar ohne Leistungserbringung studiert wird.
Es bleibt zu sagen, dass es vielleicht einen Grund gibt, dass die Universität “zu viele” Studenten zu diesen Studien zulässt und dieser hätte in diesem Artikel “recherchiert” werden können. Mit einer ausbleibenden Stellungnahme der Universität ist der investigative Journalismus nicht erledigt.
Dass wir Studenten unter den überfüllten Seminaren leiden, steht außer Frage. Meine Erfahrung zeigte aber bisher in jedem Semester, dass spätestens nach dem ersten Drittel der Semesterzeit eine “natürliche” Auslesen stattgefunden hat und der Teil der anwesenden und auch für das jeweilige Seminar vorbereiteten Studenten ein vernünfiges Maß findet. Zumindest bin ich in meinen Seminaren immer zu Wort gekommen und fühlte mich durch die Dozenten immer gut betreut.
Die Forderung von Herrn Riedel muss in diesem Zusammenhang auf ihre Realisierbarkeit besser geprüft werden. Wenn es sich also so verhalten sollte, dass von den 189% Studierenden in der Philosophie am Ende nur 80% wirklich zum Masterabschluss kommen, die FU also einen Ausfall zu ihrer Zielsetzung von 20% erlebt, kann die Lösung nicht in der Investierung in Lehrpersonal liegen. Das funktioniert ökonomisch nicht.