Wie jedes Semester wurden diese Woche wieder kostenlose „Campustüten“ verteilt. Die Kritik an der Werbeaktion ist oft groß, doch am Ende holt sich fast jeder eine. Mareike Edler hat sich in der Warteschlange umgehört.
Ansturm vor der Silberlaube: In einer langen aber erstaunlich zivilisierten Schlange bewegen sich zahlreiche Studenten und Studentinnen an einem Stapel Kisten vorbei. Im Akkord verteilen zwei junge Frauen im Unicum T-Shirt Tüten an die Wartenden. „Sekt oder Capri-Sonne?“, heißt die entscheidende Frage.
Jedes Semester verteilt das Studentenmagazin Unicum die kostenlosen „Wundertüten“ an Unis in ganz Deutschland. Der Inhalt besteht aus mehr oder weniger sinnvollen Werbeartikeln und zahlreichen Flyern. Die Highlights der diesjährigen Tüte: Neben Kondom und Kugelschreibern gibt es einen Löffel und Oropax, aber auch einen Organspendeausweis zum Ausfüllen.
Auch wenn einige finden, für diesen Inhalt lohne es sich eigentlich nicht – die meisten Studierenden, die an diesem Morgen am Eingang der Silberlaube vorbei kommen, stellen sich an. „Da kommt einfach die Gier durch, wenn es etwas umsonst gibt“, sagt Ethnologiestudentin Miriam Laschinski lachend, als sie ihre Tüte durchstöbert. Und Yann Schröer, der VWL studiert, ergänzt: „Endlich bekomme ich mal was dafür, dass ich an der Uni bin.“
3000 Tüten werden an einem Tag ausgegeben. Johann Hoffmann ist bei Unicum zuständig für die Verteilung der Tüten in Berlin. „Natürlich ist es eine Werbeaktion“, räumt er ein. „Aber mit den kleinen Geschenken wollen wir den Studierenden auch einfach mal etwas Gutes tun.“ Er freue sich über viele grinsende Gesichter.
Fragwürdige Werbepartner
Auch Jascha Kolbe, der Mathe und Sozialkunde auf Lehramt studiert, hat sich eine Tüte geholt. Er analysiert den Inhalt durchaus kritisch: „Ein privater Löffel vor der Mensa hat natürlich seine Vorteile. Aber dass auch Cerealien von Nestlé in der Tüte sind, finde ich nicht gut.“ Er lehnt die von Nestlé vorangetriebene Privatisierung von Wasser ab und hat ökologische Bedenken wegen der Produktionsweise des Unternehmens. Eher anfreunden kann er sich mit der Bio-Capri-Sonne. Dass es unterschiedliche Tüten für Frauen und Männer gibt, findet er problematisch. Da sei der Vorwurf des Sexismus naheliegend.
Hoffmann dagegen rechtfertigt die Trennung der Tüten nach Geschlecht mit praktischen Gründen. Der Unterschied bestehe hauptsächlich darin, dass die einen Tüten Parfüm für Männer und die anderen welches für Frauen enthielten. Die meisten würde das nicht stören, meint er.
Was durchaus stören könnte, ist der entstehende Müll. Miriam Laschinski bezweifelt, dass sich viele die Flyer wirklich durchlesen. Auch Politikstudent Ansgar Bienert meint: „Es ist viel Werbung zum Wegschmeißen.“ Trotzdem denkt er, dass viele sie wenigstens lesen, schließlich seien Gutscheine dabei. Doch schon auf dem Weg zur U-Bahn wird das Problem sichtbar. Einige der Werbezettel fanden nicht einmal ihren Weg in den Mülleimer, sondern pflastern die Straßen.
Schlange stehen für Tinnef, aber wieder irgendwas “problematisch finden” – deutsche Studenten im Jahre 290 nach Kant.