„Liebe verkauft sich besser als Alltag“

Männer achten bei der Partnerwahl mehr auf Äußerlichkeiten als Frauen und Speed-Dating erhöht die Chancen die große Liebe zu finden? Die Psychologin Jule Specht erforscht Annahmen wie diese. Von Teresa Velten

Illustration: Luise Schricker

Illustration: Luise Schricker

In unserer Serie „Kluge Köpfe“ porträtieren wir interessante Wissenschaftler der FU. Teil 4: Jule Specht, Psychologin.

Kein Wunder, dass man kaum Gelegenheit findet, mit Jule Specht zu sprechen. Ihr Büro, mit den lilafarbenen Orchideen auf dem Fensterbrett, wirkt einladend und ist gut besucht von ratsuchenden Studierenden. Die haben zwar eher Fragen zu ihren Seminaren, sollte aber mal jemand mit Beziehungsproblemen oder Liebeskummer vorbeikommen, hätte Specht zumindest keinen Mangel an wissenschaftlichen Studien.

Jule Specht ist seit 2012 Juniorprofessorin für Persönlichkeitspsychologie und psychologische Diagnostik an der FU. Nebenbei erklärt sie seit fast vier Jahren in ihrem Blog „Jule schreibt“ unter den Rubriken „Labor meets Liebe“ und „Labor meets Leben“, was die Wissenschaft zu den ganz konkreten Fragen des Liebes- und des Alltagslebens beitragen kann. Eines Tages wurde der Rowohlt-Verlag auf ihre Arbeit aufmerksam und fragte an, ob sie aus dem Blog ein Buch über die Liebe machen wolle. „Liebe verkauft sich anscheinend besser als Alltag“, sagt Specht lachend.

Geringe Erfolgschancen bei Speed-Dates

In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Von kochenden Betthasen – Was wir aus wissenschaftlichen Studien über die Liebe lernen können“, erklärt sie beispielsweise, warum Dating-Portale und Speed-Dating-Agenturen nur selten und eher zufällig zur erfolgreichen Partnersuche beitragen. Es sei „Quatsch“, dass Singles bloß ihre Charaktereigenschaften auflisten müssten, damit eine Internet-Plattform daraufhin den perfekten „Match“ findet: „Nach Speed-Dates haben durchschnittlich nur fünf Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine Beziehung“, meint Specht.

Wer aber in einer „normalen“ Date-Situation schüchtern ist, wird daran auch in den zweiminütigen Speed-Dates kaum etwas ändern können. In den seltenen Fällen, in denen sich aus dem kurzen Zusammentreffen etwas mehr entwickelt, sind meist nur jene involviert, „die auch sonst Erfolg beim Flirten haben“. Daraus würden aber meistens nur kurze, sexuelle Abenteuer und selten langfristige Beziehungen. Zwar sorgen die Dating-Plattformen dafür, dass Suchende schneller aufeinandertreffen, dennoch ist die Wahrscheinlichkeit eines One-Night-Stands dabei ebenso groß als würde man sich abends allein in eine Bar setzen.

„In der Liebe passiert doch eigentlich alles unerwartet!“

Ob sie oft Beziehungsberaterin für Freunde und Verwandte sei? Nicht mehr als andere auch, findet Specht. „Aber manchmal kommen Leser auf mich zu und fragen um Rat.“ Dadurch habe sie schon einige private Liebesgeschichten zu hören bekommen. An eine besonders eindrucksvolle kann sie sich nicht erinnern: „In der Liebe passiert doch eigentlich alles unerwartet!“ Deswegen kann man die Ergebnisse der Studien, wie so oft in der Psychologie auch, nicht auf den konkreten Einzelfall anwenden. „Die Psychologie der Partnerwahl füttert sich auch aus der Evolutionspsychologie“, erklärt Specht. Diese vertritt den schlichten Standpunkt, dass Frauen eine Ressource sind, die möglichst zahlreich vorhanden sein sollte, während eine geringe Anzahl Männer zur Begattung ausreicht.

Deshalb kommen solche Studien auch zu dem Schluss, dass Männer mehr Wert auf äußerliche Attraktivität legen. Dabei spiele das Aussehen, so Specht, wenn überhaupt in der Anfangsphase einer Beziehung eine Rolle. Danach ist es für das langfristige Gelingen egal, ob der eine oder der andere Partner besser aussehe. In ihrem Buch möchte Specht deshalb auch die „Skurrilität der ganzen Partnersuche beleuchten“, wie sie sagt.

Gerne würde sie noch mehr Bücher schreiben: Das nächste könnte vielleicht von Persönlichkeitsentwicklung handeln und von der Frage, sich Partner im Laufe ihres Lebens gegenseitig verändern. Mal sehen, ob sich der Beziehungsalltag auch so gut verkaufen lässt, wie Liebe.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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