Risikoanlage Studium

Wer mit anhaltenden Geldsorgen studiert, tut sich schwer, seine beste Leistung abzurufen. Studienkredite geben finanziellen Spielraum. Risikofrei sind sie allerdings nicht. Von Cecilia T. Fernandez

Studienkredite werden auch bei deutschen Studierenden immer beliebter. Illustration: Angelika Schäfer
Studienkredite werden auch bei deutschen Studierenden immer beliebter. Illustration: Angelika Schaefer

Martina* brauchte mehr Geld. Obwohl sie neben dem Studium arbeitete, Bafög bezog und etwas Unterstützung von ihrem Vater bekam – vor drei Jahren reichte es nicht zum Leben. Sie nahm einen Studienkredit auf. Insgesamt 3400 Euro schuldet sie heute ihrer Bank.

2011: Martina sieht dem Ende ihres Bachelorstudiengangs entgegen. Die Erziehungswissenschaftlerin weiß genau, was sie danach machen will: Motologie studieren. Der Studiengang erforscht das Zusammenspiel zwischen Bewegung und Psyche. Durch den Abschluss wird sie ihre beruflichen Wünsche verwirklichen und bewegungstherapeutisch mit Kindern arbeiten können. Doch: Nur eine einzige deutsche Universität bietet diesen Masterstudiengang an. Die Universität Marburg. Für die in Berlin lebende Erziehungswissenschaftlerin ist das ein Problem.

Für dieses Studium nahm Martina vor drei Jahren einen Kredit bei der Bank auf. 200 Euro monatlich sollten ihr helfen, ihr neues Leben zu finanzieren. Denn Martina hatte sich entschieden, zwischen Hessen und Berlin zu pendeln. Montag bis Mittwoch studierte sie in Marburg. Den Rest der Woche verbrachte sie in der Hauptstadt. Zwei Jahre mit ständigen Bahnfahrten und doppelter Miete. Den Stress nahm sie aus gutem Grund auf sich: Martinas Sohn war damals erst drei Jahre alt. Ihm wollte sie die Trennung von seinem Vater und seinem gewohnten Umfeld nicht zumuten. Doch ihn nur in den Ferien und an den Feiertagen zu sehen, kam für die junge Mutter nicht in Frage. Außerdem sei ihr ganzes Leben in Berlin verwurzelt gewesen. Ihre Geschwister, ihre Freunde lebten hier. Schon in den ersten Monaten dieses neuen Lebens merkte Martina, dass ihre Einkünfte nicht ausreichten. Doch woher sollte mehr Geld kommen?

Als eines von vier Geschwistern konnte sie nicht mehr Geld von ihrem Vater verlangen. Mehr arbeiten wollte Martina nicht: „Ich hatte schon mal erlebt, was es heißt, überbelastet zu sein, sich ausgebrannt zu fühlen. Das wollte ich nicht noch einmal erleben“, sagt sie. Auch wenn die 200 Euro im Monat, die sie durch den Studienkredit bekam, nicht viel waren Martinas Leben machten sie damals spürbar einfacher. Iris Altheide ist mit solchen Situationen vertraut. Sie arbeitet seit 2002 für die Sozialberatung des Berliner Studentenwerks. In ihr Büro an der FU kommen Studierende mit allen Anliegen rund um ihr Studium. Meist stellen sie ganz praktische Fragen.

Immer wieder eine davon: „Wie finanziere ich mein Leben?“ „Grundsätzlich haben viele Studierende keine gesicherte Studienfinanzierung. Zumindest nicht von Anfang bis Ende“, erklärt Altheide. Pläne ändern sich im Laufe der Semester, die Studienzeit verlängert sich – schnell werden neue Geldquellen notwendig, um sich über Wasser zu halten. Etwa vier Fünftel der Studierenden erhalten laut Erhebungen des Berliner Studentenwerks Unterhalt von ihren Eltern. Mehr als zwei Drittel arbeiten nebenbei. Nur sechs Prozent hingegen nutzen einen Studienkredit. Doch die Kredite werden immer attraktiver.

Zwar ist Deutschland von amerikanischen Verhältnissen noch weit entfernt. Dort beträgt die durchschnittliche Verschuldung eines Bachelorstudenten umgerechnet mehr als 16.000 Euro. Doch das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) geht von rund 60.000 Neuverträgen pro Jahr aus, Tendenz steigend. Die meisten deutschen Kreditinstitute führen mittlerweile spezielle Angebote für Studierende. Sie bieten feste Zinssätze und Karenzphasen zwischen Studienende und Tilgungsbeginn, die Zeit für den Berufseinstieg lassen. So werden die Kredite nicht nur sicherer, sondern auch verlockender. Denn die Banken versprechen schnelles Geld, dessen Abbezahlung später bei einem vollen Gehalt nicht zur Last fällt.

So plante es auch Martina: „Die 200 Euro waren in dem Moment eine große Entlastung. Und wenn ich erst einmal in Vollzeit arbeite, werden die Zahlungen mich nicht zu sehr belasten, dachte ich damals.“ Geld in die eigene Bildung investieren, mit den Renditen des guten Abschlusses die entstandenen Schulden tilgen: Eine Rechnung, die viele machen, bevor sie einen Kredit aufnehmen. Eine Rechnung, die nicht immer aufgeht. Wer einen Studienkredit beispielsweise zu lange vor dem geplanten Abschluss aufnimmt, gerät schnell in eine unbequeme Lage: Noch bevor die erste Bewerbung versendet ist, flattern dann schon die Zahlungsaufforderungen durch den Briefschlitz. Die Gefahr der Überschuldung ist dann groß.

Deshalb hielt sich Martina strikt an ihre Regelstudienzeit. Pünktlich zum Beginn ihrer zweijährigen Karenzzeit hatte sie ihr Studium abgeschlossen. Das geliehene Geld betrachtete sie daher als zeitlich beschränkte Investition in ein Ziel, das ihr teuer war. Nebenbei arbeiten musste sie weiterhin, auch das Bafög und die Hilfe von ihrem Vater blieben ihr erhalten. Nur wenn alle Beträge zusammenkamen, konnte sie all ihre Rechnungen begleichen. Ein bequemes Studentenleben führte sie trotz Kredit nicht. Seit fast einem Jahr ist Martina wieder in Berlin – und sucht einen Job, der ihr endlich finanzielle Sicherheit bieten soll. Ihren Kredit muss sie erst ab Februar 2016 abbezahlen.

Dennoch: Der Gedanke daran, dass sie zu Tilgungsbeginn noch auf der Jobsuche sein könnte, macht sie ein wenig nervös: „Ich denke schon daran, dass ich dieses Geld zurückzahlen muss“, gesteht sie. „Bei Bewerbungsgesprächen ist das auch etwas, das mir durch den Kopf geht.“ Doch Martina fängt sich schnell. Sie ist zuversichtlich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: „Sich ständig Geldsorgen machen zu müssen, ist einfach zu anstrengend. Das raubt einem selbst die Kraft, die man eigentlich ins Studium stecken könnte.“ Sie ist froh, sich die Entlastung gegönnt zu haben. Nur die Jobzusage, die darf nicht mehr lange auf sich warten lassen.

*Anm.d.Red.: Name geändert

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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