Masturbation im Elfenbeinturm

Vorbereitung auf das Arbeitsleben statt weltferne Diskussionen: Das wünschen sich immer mehr Studierende. Zum Glück, findet Cecilia T. Fernandez. Sie hat das Gefasel in Seminaren endgültig satt.

Illustration: Robin Kowalewsky

Illustration: Robin Kowalewsky

Wenn ich noch einmal das Wort „Selbstreferentialität“ höre, übergebe ich mich auf den karierten Pullunder des Dozenten. Ich blicke in die kellerbleichen Gesichter, in die versonnenen Augen um mich herum und weiß: Auch meine Kommilitonen siechen irgendwo zwischen Koma und Entrückung vor sich hin.

Elendes Gefasel im Elfenbeinturm: Seit einer Stunde besprechen wir im geisteswissenschaftlichen Seminar, dass ja wirklich alles in unserer Gesellschaft konstruiert ist. Daher muss es dekonstruiert werden. Aber nicht zwangsweise, denn jeder Sachverhalt lässt ja auch unendlich viele Deutungen zu. Die unausgesprochene Frage, die uns allen in den Kehlen brennt: Was zur Hölle bringt uns das fürs Leben? Bevor wir sie stellen können, lullt uns die Diskussion wieder in den Wachschlaf. Speichelspur im Mundwinkel miteinbegriffen.

Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir

Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir – nirgends gilt das so selten wie an der Universität. Statt uns auf das Berufsleben vorzubereiten, werden wir durch ein Labyrinth aus masturbatorischen Diskussionen rund um weltferne Seminarthemen geführt. Ergebnisse gibt es keine: Alles ist relativ, alle haben ein bisschen Recht. Wodurch natürlich niemand Recht hat. Damit können wir nach dem Studienabschluss vor allem eine hohe Toleranz für aufgeblähte Gespräche als berufsqualifizierende Fähigkeit vorweisen.

Zu allem Übel wird uns dann noch weisgemacht, uns stünden mit unseren Abschlüssen alle Türen offen. Um uns vor der Sinnkrise zu bewahren, können wir ja einfach noch mal die online-Beschreibung des Studienfachs durchlesen. Noch bei den obskursten Geisteswissenschaften werden Industrie, Handel, Medien und natürlich der für sein wucherndes Wachstum wohlbekannte Kultursektor als mögliche Berufsfelder genannt. Angesichts der Tatsache, dass die Studieninhalte rein gar nichts mit dem Arbeitsalltag einer dieser Branchen zu tun haben, ist das nichts als ein kurzweiliges Antidepressivum.

Altorientalisten und Antidepressiva

Zum Glück scheint sich endlich Pragmatik unter den Studierenden breit zu machen. Studien belegen, dass sich immer mehr Studienanfänger von der akademischen Ausbildung vor allem die gezielte Vorbereitung auf einen interessanten und gut bezahlten Job erwarten. Trotz allgemein steigender Zufriedenheit mit der Studiensituation: Nur knapp die Hälfte der Studierenden bezeichnet die Berufsvorbereitung als starkes oder mittleres Merkmal ihres Studiums. Sie wünschen sich mehr Praktika und weniger spezialisierte Inhalte. Die Unis haben das bisher wohl noch nicht verstanden.

Die Reihen derer hingegen, die ein Studium um der Forschung willen oder gar mit der Aussicht auf ein müßiges Studierendenleben aufnehmen, lichten sich. Super! Sollen letztere eben die Alt- Gräzisten und Taxifahrer von morgen werden. Uns andere erwarten hoffentlich bald mehr Inhalte, die sich nicht auf sich selbst, sondern auf unsere Zukunft in der Arbeitswelt beziehen. Entweder das, oder die sauberen Tage des Pullunders vor mir sind gezählt.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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9 Responses

  1. Pozzo sagt:

    Schöner Text! Nicht nur weil er gut geschrieben ist, sondern auch, weil er wunderbar zeigt, wie unpolitisch doch die Studierenden von heute sind: Für sie sind große Ideen, realitätsfernes Geschwafel. Sie wollen einen guten Job, viel Geld verdienen, ohne darüber nachzudenken, was das eigentlich bedeutet.

    Aber hey, damit sind sie genau auf der Linie, die Bologna vorgibt. Freut euch über die Ökonomisierung der Universität. Freut euch auf ein Leben in den Ketten des Kapitalismus! 🙂

    Ich studiere das, was ich studiere, um die Welt und die Gesellschaft zu verstehen – und sie zu verändern.

  2. Alexa sagt:

    Lieber Steffen, ich kenne die FURIOS nicht gut, aber freue mich, wenn die Redaktion verschiedene, zT ausgefallene Meinungen publiziert und Debatten anstößt. Dein Kommentar ist also eher ein neuer Tiefpunkt in der Existenz der Trolle, und ja, auch da wundert man sich immer wieder, dass das geht…

  3. Steffen sagt:

    Mal wieder ein neuer Tiefpunkt in der Existenz der Furios (und man wundert sich doch immer wieder, dass das geht…).
    Wenn dir das Studium zu theoretisch ist, dann hast du eine Vielzahl anderer Möglichkeiten: Studium an der FH, Duales Studium oder eine Ausbildung. Aber offensichtlich musste es ja der Akademische Grad von der Excellence-Uni sein, um dein Ego zu befriedigen, ganz unabhängig von den Inhalten. Mal ganz abgesehen davon, dass Praktika im Studium im Großteil nichts anderes als der Zwang zur unbezahlten Arbeit sind.

  4. Eindimensionaler Mensch sagt:

    Es ist ein wenig traurig, dass du in deinem Artikel “Leben” und “Berufsleben” gleichsetzt. Welt- oder lebensfremd ist alles, was nicht unmittelbar deiner Karriere zu Gute kommt? Eine andere Motivation, sich mit etwas zu beschäftigen, ist nicht vorstellbar oder jedenfalls überflüssig?
    Wenn diese Ansicht unter Studierenden populärer wird, ist das mindestens Grund zur Beunruhigung, sicher keiner zur Freude.

  5. Danke! sagt:

    Irgendwie ein überflüssiger, nichtssagender Text. Die Stärke der Universität ist nicht die Berufsausbildung, was es noch nie und sollte es auch nie sein. Universitäten forschen und dieses wird (hoffentlich) direkt in die Lehre übertragen. Sie bieten (idealerweise) eine enorme Breite an Wissensquellen an, Studierende sollten lernen diese für sich zu nutzen und auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Daran fehlt es. Oft auf Seiten der Lehrenden aber ebenso oft auf Seiten der Studierenden. Darüber sollte diskutiert werden und nicht darüber, ob Dozenten es schaffen Studierende in Seminaren ins Wachkomma zu dozieren. Auch nicht, dass diese Wachkomapatienten sich am falschen Ort fühlen. Universität ist, was ihre Mitglieder daraus machen! Also, Wachkommapatienten aller Vorlesungen und Seminare, vereinigt euch zur Verbesserungen eurer Universitäten und nicht zum Gedankenblasenrülpsen auf Stammtischniveau. Danke!

  6. klaus sagt:

    “Leider studire ich Marokkanische Iranistik im 11. Jahrhundert und wusste nicht, dass man damit am Ende nichts machen kann und auch niemand wei\u00df, was man uns in unseren Harz-4-Studieng\u00e4ngen gescheites beibringen soll. Darum bin ich jetzt sauer”

  7. Dozent sagt:

    Selbstreferentialität.

  8. Django sagt:

    Vielleicht solltest du in einen Fach wechseln, dessen Inhalte dich interessieren, statt mit Ekelattacke auf die Kleidung des Dozenten zu drohen. Wer eine geisteswissenschaftliche Fachrichtung wählt, wählt doch gerade keine Berufsausbildung (egal, was seit “Bologna” immer behauptet wird). Niemand hat dich in dieses Fach gezwungen. Geh doch und studiere BWL, Informatik oder Pharmazie, wenn eine klare Ansage brauchst, wozu das alles gut sein soll.

    http://www.fkwaechter.de/tl_files/gallery_creator_albums/stoebern/stinkstall.jpg

    • blablup sagt:

      Also eigentlich soltle Informatik auch keine Berufsausbildung sein. Ein Informatikstudium ist nämlich eigentlich keine Ausbildugn zum Programmierer und zumindest die theoretische Informatik ist den echten Geisteswissenscahften wie Philosophie und Mathe deutlich näher als die meisten sozialwissenscahften es sind.
      Dem zum trotz wird das Studium der informatik leider immer verschulter. Übungszettel mit wöchentlicher Deadline udn Tutorien mit Anwesenheitspflich tun ihren teil dazu…

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