Missverständliche oder mangelnde Kommunikation führte dazu, dass der Knochenfund an der FU womöglich zu früh begraben wurde. Chronologie eines undurchsichtigen Verfahrens. Von Sophie Krause
Ein dreiviertel Jahr nach dem Fund menschlicher Knochenüberreste auf dem FU-Gelände löst der Umgang des FU-Präsidiums mit dem Vorfall immer noch Diskussionen aus.
In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die im Juli 2014 bei Bauarbeiten gefundenen Knochen womöglich zu früh eingeäschert wurden, ohne hinreichende Untersuchungen anzustellen.
Hintergrund der Aufregung ist der besondere Fundort, der Annahmen über die Herkunft der Knochen anstößt: In unmittelbarer Nähe der Universitätsbibliothek, wo die Knochen ausgegraben wurden, befand sich in der Ihnestr. 22 während der NS-Zeit das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenetik (KWI). Dort führten Wissenschaftler etwa an Sinti und Roma Untersuchungen durch. Auch schickte der KZ-Arzt Josef Mengele regelmäßig Knochen und Organe seiner Versuchsopfer aus Auschwitz an das Institut. Es besteht also die Möglichkeit, dass es sich bei den gefundenen Skeletten um Opfer der Euthanasieverbrechen der Nazis handelt.
Keine genaueren Untersuchungen möglich
Doch endgültig belegt ist das nicht. Ein rechtsmedizinisches Gutachten im vergangenen Juli ergab, dass die Knochenreste von mindestens 15 Erwachsenen und Kindern stammten. Da die Knochen aber „mehrere Jahrzehnte alt” und in einem „Zustand starker Verwitterung” waren, ließe sich Genaueres nicht sagen. Ob weitere Untersuchungen der Skelette tatsächlich Auskunft gegeben hätten, bleibt offen.
Die Rechtsmediziner übergaben die Knochen nach der Untersuchung dem Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin, das routinemäßig die Einäscherung am 12. Dezember im Krematorium Berlin-Ruhleben veranlasste.
Zu früh, zu unwürdig? Kritik kam wenig später von Seiten der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die als Nachfolgeorganisation des KWI gegründet wurde. Dort war man „nicht besonders glücklich über den Ablauf”, so Sprecherin Christina Beck. Die MPG hatte vorgeschlagen, die Knochen auf dem Münchener Waldfriedhof zu bestatten, wo das Mahnmal für die Opfer der Euthanasieverbrechen steht.
Doch der Vorschlag kam am 16. Dezember. Zu diesem Zeitpunkt waren die Knochen bereits eingeäschert worden. Die FU betonte, ihr sei eine würdevolle Beisetzung ebenfalls wichtig gewesen und Pressesprecher Goran Krstin erklärte auf Anfrage der Furios, dass sie dies auch durch das Krematorium Ruhleben gewährleistet sehe.
Informationslücken
Mangelnde Kommunikation zwischen FU, MPG und dem Landesinstitut führte offenbar zu diesem Missverständnis. Michael Tsoskos, Leiter der Rechtsmedizin der Charité und des Landesinstituts, erklärte am 26. Januar gegenüber dem Tagesspiegel, man sei erst später darüber informiert worden, dass es sich womöglich um Opfer der NS-Euthanasieverbrechen gehandelt habe. Die FU sah Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit den Behörden. Man habe die ermittelnde Polizei schon im Juli auf einen möglichen Zusammenhang mit dem KWI hingewiesen. Es habe dann einige Wochen gedauert, bis die Behörden der Uni die Details des Gutachtens zugänglich gemacht hatten.
Zunächst hatte die FU dem Tagesspiegel gegenüber eine mögliche „Informationslücke“ eingeräumt. So nährte sich der Verdacht, die FU habe vertuschen wollen, dass die Knochen möglicherweise Überreste von Mengeles Menschenversuchen seien. Mutmaßungen dieser Art, die in einer Kolumne der „Berliner Zeitung“ geäußert wurden, dementierte Alt kurz darauf im Akademischen Senat: „Die Charité hat von dem Kontext Kenntnis gehabt.“
Hier sind sich FU und die Rechtsmediziner nun weiter uneinig. Die FU gibt an, sie habe sich regelmäßig telefonisch nach dem Stand der Untersuchungen erkundigt und über den Zusammenhang mit dem KWI hingewiesen. Rechtsmediziner Tsoskos hingegen widerspricht: „Davon ist mir nichts bekannt.”
Bleibt die Frage, ob die Öffentlichkeit zu spät informiert wurde. Die FU berichtete zunächst nur im internen Bereich ihrer Onlinepräsenz. Am Otto-Suhr-Institut, wo die Politikwissenschaftler die ehemaligen Gebäude der KWI nutzen, gibt es inzwischen Pläne, eine Ausstellung zum Fund der Knochen zu organisieren.