Singen und sich dazu bewegen – das soll Sport sein? Oder ist es mehr Gesangsunterricht für Neulinge? Mareike Edler hat den Kurs „Move your Voice“ aus dem Ferienprogramm des Unisports getestet.
Zum Glück schützen uns die Jalousien vor den Blicken der Bauarbeiter. Die wundern sich wahrscheinlich, was sie im Hinterhof der Fabeckstraße 34 während der Ferien zu hören bekommen. Während sie das alte Gebäude hinter der neuen Holzlaube sanieren, wird im versteckten Sportraum gesungen, geklatscht und getanzt. Gemeinsam mit Kursleiterin Hannah Breithaupt und zwei weiteren Teilnehmerinnen bewege ich mich im Kreis. Mit jeder Runde werden die Bewegungen lockerer und die Frage, was die da draußen wohl denken, unwichtiger.
Stimme in Bewegung darum geht es in diesem Ferienkurs des Unisports. Trainerin Breithaupt hat sich lange mit Gesangs- und Bewegungsimprovisation sowie Weltmusik beschäftigt und wollte diese drei Bereiche miteinander verbinden. „Das hilft, loszulassen und in den Körper zu kommen“, erklärt sie. „Dadurch kann man lernen, den eigenen Körper besser zu spüren und bewusster einzusetzen, für Stimme, Bewegung und allgemeines Wohlbefinden.”
Eigentlich sind sieben Teilnehmer angemeldet, doch wir bleiben eine kleine Gruppe. Hier fällt jeder zwar mehr auf, aber wir drei können uns auch gut aufeinander einstellen. Das Training beginnt auf Yogamatten. Im Liegen konzentrieren wir uns zuerst auf unsere Atmung. Dann singen wir bei jedem Ausatmen einen Konsonanten oder Vokal, den Kursleiterin Breithaupt vorgibt. Sie macht mit, damit wir uns auch trauen, ein langes „Aaa“ oder „Ffff“ von uns zugeben.
Bewegung – egal wie
Beim Punkt Bewegung wird es dann etwas unangenehmer. Ich tanze nicht gerne, und schon gar nicht in ausladenden Bewegungen quer durch einen Raum, in dem sich außer mir noch andere Menschen befinden. Und dann sogar mit einem Partner, dessen teils kuriose Regungen wir spiegelbildlich nachahmen sollen. Ab welchem Zeitpunkt das befreiend sein soll, wird mir nicht klar – erst einmal bleibt es sehr ungewohnt.
Zur Erholung gibt es eine Massage. Mit den Händen unseres Partners im Rücken sollen wir unseren Atem auf einen bestimmten Bereich konzentrieren und uns vorstellen, dass der Ton dort klingt. Das hilft, sich seines Klangkörpers bewusst zu werden. Dank der kleinen Gruppe kann man sich darauf auch gut einlassen und hat eher das Gefühl die anderen ein bisschen kennenzulernen. Zum Mitmachen überredet wird hier aber niemand.
Nachdem wir bisher nur einzelne Töne gesungen und uns auf unseren Körper konzentriert haben, machen wir uns nun mit einem kleinen Lied an den stimmlichen Ausdruck. Eine einfache Melodie, viele Vokale – es ist ein australisches Willkommenslied. Zuerst singen wir gemeinsam und bewegen uns rhythmisch dazu. Dann ist Kreativität gefragt. Jeder soll eine Strophe vorsingen und dabei die Melodie eigenständig abwandeln. Die anderen singen dasselbe nach.
Nicht nach Noten singen ist ungewohnt
Wenn man, wie ich, normalerweise eher klassisch nach Noten singt, ist es sehr ungewohnt, sich plötzlich selbst Töne auszudenken. Nicht zuletzt bleibt bei dieser Übung ein Adrenalin-Schub. Wenn man alleine vorsingt bleibt dieser unvermeidlich. Denn auch wenn nur drei Teilnehmer zuhören, gibt man beim Singen etwas von sich preis, das verletzlich macht. Als wir dann im Kreis sitzen und alle gleichzeitig improvisieren, klingt es gewolltermaßen chaotisch.
Aber irgendwie sind wir doch zu harmoniebedürftig, um das lange durchzuhalten.Gerade Anfängern kann der Kurs helfen, Hemmungen abzubauen – sei es beim Singen oder beim Tanzen. Es ist ein geschützter Raum, in dem sich jeder ausprobieren kann. Anstrengend ist es nicht, aber dank Adrenalinausschüttung stellt sich trotzdem ein gutes Gefühl wie nach intensivem Training ein.
Der Kurs kann tatsächlich helfen, besser auf den eigenen Körper zu hören. Das ist gerade für Sänger sehr wichtig. Auch, sich einfach mal Melodien selbst auszudenken, ist eine schöne Erfahrung. Aber komponierte Stücke mit Herz zu singen und diszipliniert zu üben, ist etwas anderes.