Mit Massagen verbinden die einen Wellness-Oasen, die anderen intime Momente. An eine FU-Sporthalle in der Ferienzeit denken eher Wenige. Margarita Dreiling probierte sich in der Kunst der Knetkur.
Lange ist es her, dass ich eine Grundschule betreten habe. Der Weg in die Sporthalle, in der der Massagekurs des Hochschulsports stattfinden wird, führt mich durch den großen Eingangsbereich der Gail-S.Halvorsen Schule, dessen Wände mit bunten Basteleien der Schüler und Schülerinnen beklebt sind. Noch bevor ich den Umkleideraum betrete, fängt die Massagekursleiterin mich ab: Freundlich weist sie mich darauf hin, dass im Kurs auf nackter Haut und mit Verwendung von Massageöl massiert werde. Die Entscheidung, dabei mitzumachen, sei natürlich jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin frei überlassen.
Mit entblößtem Rücken vor Fremden massiert zu werden – so stelle ich mir Entspannung nicht vor. Dennoch: Ich will das wahre Massageerlebnis erfahren und so viel von dem Kurs mitnehmen wie möglich, auch wenn ich dafür meinen nackten Rücken präsentieren muss.
Die Gruppe besteht aus 15 Teilnehmern, größtenteils aus Studenten, aber auch andere Interessierte nehmen teil. Insgesamt sind hier etwa gleichviel Frauen wie Männer. Wohl auch, weil einige von ihnen als Pärchen oder mit einem Freund oder einer Freundin erscheinen. Wieder andere suchen sich einen Massagepartner Vorort.
Entspannung wird trainiert
Kursleiterin Franziska Herde – gelernte Physiotherapeutin und Sportstudentin an der Humboldt Universität – erklärt zu Beginn der Sitzung, dass heute verschiedene Massagegriffe für die Schulterblätter und den oberen Rückenteil geübt werden. Anschließend demonstriert sie an einer Teilnehmerin die Massagetechniken, die wir gleich an unseren Partnern ausprobieren sollen. Die Griffe sehen nicht schwierig aus: Beim Spreizfingergriff gleiten die Finger seitlich an den Rippen hinunter. Bei einer weiteren Übung sollen wir die Fingerknöchel Richtung Schulterblätter schieben und damit Verspannungen lösen.
Ziel des Kurses sind das Erlernen von klassischen Massagetechniken und das Durchhalten einer längeren Massagebehandlung. Aber: „Hemmungen abbauen und sich trauen ist ebenfalls ein wichtiges Ziel“, erklärt mir Leiterin Franziska im Anschluss an den Kurs. Zudem betont sie, dass die Massagetechniken, die sie im Kurs zeigt, unbedingt zuhause weitergeübt werden sollen: “Um wirklich gut im Massieren zu werden, muss wie bei anderen Sportarten auch, stets trainiert werden.”
Gänsehautgefühle
Obwohl es sich erst um die zweite Sitzung des Ferienkurses handelt, stelle ich mit Erstaunen fest, dass die anderen sehr routiniert vorgehen. Ohne jegliche Hemmungen legt sich jeweils einer der Massagepartner auf die Matte und macht den Rücken frei. Ich beobachte, wie eine von ihnen umgehend die Augen schließt und friedlich lächelt, freudig wartend auf die bevorstehende Massage.
Ich lasse mich von so viel Offenheit anstecken und tue es den anderen gleich. Nachdem ich meine Hände mit etwas Massageöl eingerieben habe, wende ich die soeben demonstrierten Griffe an. Spätestens als ich sehe, wie sich Gänsehaut auf den Armen meiner Massagepartnerin ausbreitet, fühlen sich meine Bewegungen nicht mehr ungeschickt an, sondern gewinnen an Sicherheit.
Franziska weist uns schließlich daraufhin, dass wir die Plätze mit unserem Partner wechseln können und so darf auch ich mich auf 15 Minuten Gänsehautfeeling freuen. Der Gedanke an die karge Grundschulsporthalle und an die Fremden, die mich umgeben, verfliegt allmählich und ich beginne, die Massage zu genießen. Nach eineinhalb Stunden Massagetraining verlasse ich die Turnhalle glücklich und entspannt. Dieses Gefühl war die kurze Entblößung definitiv wert.