Asyl: Entrechtung und Gewalt

Angriffe auf Asylbewerber und fremdenfeindliche Proteste sind in Deutschland inzwischen grässlicher Alltag. Kein Wunder bei der repressiven Asylpolitik Deutschlands, findet Julian Jestadt.

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40 Asylbewerber sollten in dem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt untergebracht werden. Die Protestzüge von fremdenfeindlichen Bürgern und NPD-Aktivisten begannen im Januar. Am 4. April brannte die Unterkunft – und ganz Deutschland dachte an die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen in den 1990er-Jahren.

Rechte Gewalt gegen Schutzsuchende

Tröglitz ist überall, hallte es danach durch alle Medien. Und es ist wahr: Über 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gab es im Jahr 2014, darunter 35 Brandanschläge. Mehr als 70 Übergriffe auf Flüchtlinge wurden verzeichnet. Und im Hintergrund 270 fremdenfeindliche Demonstrationen, die die Angst vor einer vermeintlichen Überfremdung schürten und so den rassistischen Taten Rückendeckung gaben.

Rückendeckung, die Tröglitz‘ Oberbürgermeister Markus Nierth fehlte, als die zehnte Demonstration der örtlichen Asylgegner mit einer Kundgebung vor seinem Haus enden sollte. Anfang März trat er zurück, um seine Familie vor der ihm angedrohten Gewalt zu schützen. Er fühlte sich von der Politik alleingelassen.

Und genau dort lässt sich eine zweite Dimension des Problems erkennen: Asylbewerber sind nicht nur Opfer rechter Gewalt. Sie sind auch Opfer einer fremdenfeindlichen Politik. Das sehen wir auf europäischer Ebene an den EU-Außengrenzen. Das sehen wir in der deutschen Gesetzgebung. Und letztlich sehen wir es sogar in Dahlem. Das dürfen wir nicht vergessen!

Dahlem im Kontext deutscher und europäischer Asylpolitik

Seit Weihnachten 2014 werden in der FU-Turnhalle in Dahlem Asylbewerber untergebracht – provisorisch, unter menschenunwürdigen Umständen. Ursprünglich sollte die Turnhalle nur für knapp zwei Monate genutzt werden. Dann wurde kurzfristig um eineinhalb Monate verlängert. Ende März erneut um eineinhalb Monate. Immer wurde die unmenschliche Unterbringung mit dem Verweis auf die übergangsweise Nutzung gerechtfertigt. Fast ein halbes Jahr ist aber nicht übergangsweise. Und man hätte wissen müssen, dass es nicht nur ein paar Monate dauert bis feste Gebäude gefunden sind, weil man sie schon Jahre vergeblich sucht. Deshalb werden jetzt sechs Containerdörfer gebaut und Turnhallen zur Unterbringung genutzt. Das hat System – und passt in den Kontext deutscher und europäischer Asylpolitik.

Es sind nicht nur die 400 Toten im Mittelmeer vom Dienstag vergangener Woche, oder die mutmaßlich mehr als 900 vom vergangenen Sonntag. In Deutschland herrschen repressive Gesetze für Asylbewerber: Arbeitsverbote, Wohnsitzauflagen, Residenzpflicht, Studierverbote. Berlin bringt Schutzsuchende in Turnhallen unter. Menschenrechtsorganisationen kritisieren ein neuen Gesetzentwurf, der zwar ein Bleiberecht für Geduldete verspricht, aber durch Einreise- und Aufenthaltsverbote im selben Atemzug den größten Teil von dieser Regelung ausschließt. Außerdem ermöglicht er die fast willkürliche Inhaftierung von Schutzsuchenden im Zuge einer Abschiebung. Das ist Fremdenfeindlichkeit – nicht von rechten Gruppen, sondern vom Staat ausgehend.

Deutschlands Asylpolitik ist auf systematische Abschreckung ausgerichtet. Deshalb schweigen viele, die im politischen Mainstream schwimmen, auch die FU. Und rassistische Taten wie in Tröglitz und ganz Deutschland finden genau dort ihren Nährboden. Ja, Tröglitz ist überall, Dahlem aber auch. Und beides spielt sich in die Karten.

Anm. d. Red., der Autor ist Mitglied der linken Hochschulgruppe La:iz.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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