Raus aus dem Bachelor-Einheitsbrei!

Wer spät zum Seminar kommt, muss oft auf dem Fußboden sitzen. Der Grund: Überfüllte Studiengänge. Gleichzeitig bleiben viele Lehrstellen unbesetzt. Clemens Milan Polywka findet das ungerechtfertigt.

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Für viele ist es der einzig logische Weg: erst Gymnasium und Abitur, dann direkt an die Uni. Doch dieser Weg ist nur vordergründig logisch. Laut einer Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer, sind nur 47 Prozent der befragten Unternehmen mit den Leistungen von den Bachelorabsolventen zufrieden. Vergangenes Jahr haben knapp eine halbe Million Menschen in Deutschland ein Studium begonnen, was die Zahl der neuen Ausbildungsverträge übersteigt.

Leiden wir unter einem Akademisierungswahn? Die Frage, wie es nach dem Abitur weiter gehen soll, treibt viele Gymnasiasten um. Entgegen einer Berufsausbildung ist ein Bachelor-Studium inhaltlich weiter gefasst. Ein Segen also für all jene, die sich beruflich noch nicht entscheiden wollen. Denn ihnen wird – wenigstens bis zum Master – Zeit geschenkt, diesen Entschluss aufzuschieben. Falls doch ein Wechsel des Studiengangs ansteht, fällt dieser leichter als einen Ausbildungsvertrag aufzuheben. Dort ist man fester Bestandteil einer Firma, im Studium trägt man nur für sich selbst Verantwortung. Durch die Weiterführung des Systems, aus dem sie gerade kommen, fliehen viele Abiturienten vor der Verantwortung, sich beruflich zu entscheiden.

Mit Ausbildung und Disziplin an die Uni

Als Student mit Berufsausbildung gibt es zwei offensichtliche Vorteile: Angst, ohne Job zu bleiben, braucht man nicht haben. Irgendwo kommt man mit Ausbildung und Bachelor unter. Zweitens lernt man, tatsächlich zu arbeiten. Drei Jahre Vollzeit vermitteln Arbeitsmoral und Disziplin: Hausarbeit? Wird geschrieben. Referat? Vorbereiten und halten. Arbeit aufzuschieben kommt später nur doppelt zurück. Mit Praxiserfahrung im Rücken kommt man vorbereiteter an die Uni.

Wenn Schule und Eltern meist nur das Studium als beruflichen Königsweg verstehen, macht das etwas mit uns. Eine Gesellschaft, in der es immer mehr Akademiker gibt und die Zahl der Arbeiter sinkt, verliert ihr Fundament. Wenn alle nur studieren und niemand mehr Bildungswege abseits eines Studiums wahrnehmen möchte, bleiben etliche Arbeitsplätze unbesetzt. Die zwei bis drei Jahre, die Abiturienten je nach Bundesland in der Oberstufe verbringen sind mitnichten verschenkt, wenn man danach eine Ausbildung und erst einmal kein Studium beginnt.

Gerade als Vorbereitung für die Uni, entstehen durch eine Ausbildung einzigartige Möglichkeiten. Junge Menschen können sich so bereits vor dem Studium für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Eine Ausbildung ist nicht die Alternative für Abiturienten, die keinen Studienplatz bekommen haben, sondern ein Fundament, auf das sie ihr Studium aufbauen können. Ganz abgesehen davon, dass man mit sechs Wartesemestern selbst die schlechteste Abiturnote aufpolieren kann.

Ein akademischer Einheitsbrei

Nach drei Jahren Bachelor spuckt die Uni dann fertige Akademiker aus, alle irgendwie gleich uninteressant. Wie hebt man sich in diesem akademischen Einheitsbrei ab? Auf den ersten Blick bleibt nur der Masterabschluss. Doch vielleicht täuscht diese Aussicht, vielleicht muss man weiter unten anfangen. Wenn Unternehmen sich über Bachelorabsolventen beschweren, die in der Praxis versagen, verspricht ein Master nur geringfügig Besserung. Vielmehr qualifiziert man sich schon vorher – mit Berufserfahrung.

Welcher nach dem Abitur der richtige Weg ist, muss jeder selbst entscheiden. Doch sollte man sich nicht davor scheuen, Wege außerhalb der Universität zu beleuchten. Denn das Bild des Abiturienten, der durch eine Ausbildung die Zeit der Oberstufe verschenkt, beginnt nicht zuletzt durch überfüllte Bachelorstudiengänge und mit der Praxis überforderte Absolventen zu bröckeln.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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