Am Montag sprach „Welt”-Herausgeber Stefan Aust bei der Ringvorlesung „Alles Online?“ über die Zukunft des Qualitätsjournalismus im Internet. Dabei ging es vor allem ums Geld. Von Sophie Krause
Manch einer mag es zynisch finden, dass ausgerechnet ein Mann aus dem Hause Axel Springer am Otto-Suhr-Institut über Qualitätsjournalismus referiert. Doch der Hörsaal ist prall gefüllt, als Stefan Aust, Herausgeber der Zeitung „Welt“ am Montagabend seine Vorlesung mit dem sperrigen Titel „Content ist King – Chancen und Risiken für den Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter“ hält.
Und der siebzigjährige Journalist und ehemalige Chefredakteur des „Spiegel“ hat einiges zu erzählen: „Print, Fernsehen, Internet. In dieser Kombination wird sich die Zukunft abspielen“, erklärt Aust und verweist damit nicht nur auf das Zusammenwachsen der Medien im digitalen Zeitalter, sondern auch auf die Fusion der „Welt“ mit dem Nachrichtensender „N24″ im Jahr 2014. Es zeigt sich schnell, dass es bei dem Vortrag vor allem um eine Betrachtungsweise der digitalen journalistischen Zukunft geht: Die ökonomische.
„Selbstmord aus Angst vor dem Tode“
Da Online-Inhalte kostenfrei, unkompliziert und überall zugänglich sind, sind sie eine große Konkurrenz für die klassischen Nachrichtenmedien. Die Redaktionen reagieren darauf, indem sie ihre Beiträge ebenfalls online publizieren. Dies hält Aust für eine „Kannibalisierung der Printversion durch das kostenfreie Internet“. Er mutmaßt flapsig: „Womöglich der Selbstmord aus Angst vor dem Tode.“
Doch das Angebot sei dem verwöhnten Online-Nutzer nur schwer abzugewöhnen, bei einer plötzlichen Umstellung drohe der Verlust von Reichweite. Eine Patentlösung für die Finanzierungsfrage hat Aust nicht. Er zählt auf die treuen Print-Abonnementen, die ihre Zeitung aus Vertrauen lesen: „Man muss die Abo-Leser an die Hand nehmen und ans Internet heranführen“, sagt er, bis diese irgendwann freiwillig auf ihre Papierausgabe verzichten. Denn: „Wir handeln nicht mit Holz. Wir handeln mit Informationen.“
Neue Geschäftsmodelle müssen her
Dies finanziell möglich zu machen sei die Aufgabe der Journalisten, nachdem die Anzeigen, die früher ihre Hauptfinanzierungsquelle waren, sich verstärkt von den Tageszeitungen ins Netz verschoben haben. Damit sei nun kein Geld mehr zu machen. „Der Journalismus hat sich in Wirklichkeit noch nie selbst finanziert“, wendet Aust ein. Daher brauche es Umdenken seitens der Medienmacher, die neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen. Besonders Online sei noch viel Spielraum: „Kommunikationsästhetik im Internet steckt noch in den Kinderschuhen“, erklärt er und meint damit nervige Werbung, die ihre „ästhetische Form“ noch nicht gefunden habe.
Der „Welt”-Herausgeber steht der Digitalisierung des Journalismus also keineswegs kritisch gegenüber, stellt aber die ökonomischen Faktoren in den Mittelpunkt. Risiken gebe es allerdings auch hinsichtlich der Qualität im Internet. Die oft beschworene „Demokratisierung der Medienlandschaft“ durch das Internet und seine Publikations- und Kommentarmöglichkeiten sei mit Vorsicht zu genießen. Denn dass jeder „Schwachsinn von anonymen Besserwissern“ in den Kommentarspalten lande, so Aust, „lässt daran zweifeln, ob dieser Bereich Online ein großer Fortschritt ist“. Wie etwa die Leserbriefe beim Spiegel sollten Kommentare im Internet nicht mehr Anonym sein dürfen, um eine gewisse Qualität zu sichern.
Vorgeschmack auf die nächsten Gäste
Und was bleibt? Inhaltlich erzählt Aust über die Chancen und Risiken des Online-Journalismus vielen Teilnehmern nichts Neues. Interessant sind sicherlich seine Einschätzungen zur Entwicklung des Journalismus. Zugleich ist der Titel der Ringvorlesung „Alles Online?“ für Aust keine Frage, sondern eine Feststellung. Als zweiter Redner in der Veranstaltungsreihe des OSI Clubs gibt er einen Vorgeschmack auf viele weitere große Namen aus Medien und Politik, wie etwa Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, den Vorsitzenden der Piratenpartei Martin Delius oder Oliver Trenkamp, freier Journalist für den „Spiegel“ und die „taz“. Auch sie werden in den kommenden Wochen am OSI zur Bedeutung der digitalen Revolution für Publizistik und Politik referieren werden.