Lehre kritisieren – aber richtig!

Dürfen die das? Ein Blog nahm Professor Herfried Münkler ins Kreuzfeuer und erntete dafür Kritik. Eine gute Figur gab niemand dabei ab. Was sollen wir mit dieser Debatte anfangen? Von Matthias Bolsinger

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Früher haben autoritäre Herrscher unsere Freiheit gefährdet, jetzt sind es einige HU-Studierende. Klingt übertrieben, ist aber im Grunde das, was ein Tagesspiegel-Kommentar behauptet.

Er kritisiert den sogenannten Münkler-Watch. Das ist ein Blog, den einige Studierende zu Beginn des Sommersemesters 2015 ins Leben gerufen haben. Sie verfolgen die Vorlesung Herfried Münklers an der HU, in der der berühmte Politikwissenschaftler einen Überblick über politische Ideengeschichte gibt. Ihr Problem mit Münkler: Er sei ein Militarist, Sexist, Rassist. Und noch schlimmer: Er verbreite diesen Geist in seiner Vorlesung. Auch an der FU werden immer wieder rassistische Vorfälle dokumentiert. Der Fall Münkler jedoch fand eine bisher kaum gesehene Öffentlichkeit.

Als die Vorwürfe bekannt wurden, kochten die Feuilletons. Meist waren es in der Presse die Studierenden, die schlecht wegkamen. Doch ein Rückblick zeigt: In dieser Debatte haben beide verloren, der Professor und seine Kritiker.

Peinliche Reaktion des Professors

Münklers Image ist angekratzt. Schuld daran haben nicht die Studierenden, sondern er selbst. Es ist verständlich, dass der Professor sich beobachtet fühlt und das als eine Situation empfindet, in der er unmöglich eine Vorlesung halten kann.

Doch wie der 64-Jährige darauf reagierte, ist peinlich. Zwar rief er die Studierenden zum Dialog auf, beschimpfte sie aber als „erbärmliche Feiglinge“. Außerdem unterstellte er ihnen in einem „Zeit“-Interview antisemitische Argumentationsmuster. Solche haltlosen Vorwürfe heizen den Konflikt nicht nur auf. Aus dem Mund eines promovierten Philosophen sind sie geradezu lächerlich einfältig.

Der Verdienst des Blogs ist zweifelsohne, der Kritik überhaupt eine Plattform zu geben. Münkler-Watch bringt das Politische zurück in die Wissenschaft – wenn Wissenschaft unsere Realität prägt, müssen wir sie hinterfragen.

Nicht die Funktion des Blogs also, sondern sein Inhalt ist kritikwürdig. Zum einen zeigt sich, dass das Urteil der Blogger über ihren Professor von Beginn an feststand. Beweise mussten nur noch gesucht werden. Und kein noch so vager ist ihnen zu blöd. Zum Beispiel leiten sie Münklers Sexismus daraus ab, dass er die Unterdrückung der Frau im Deutschland der 70er-Jaher als „eigentlich ungeheuerlich“ bezeichnet, nicht einfach nur als „ungeheuerlich“.

Zum anderen zeigen die Blogger, dass sie von politischer Philosophie keine Ahnung haben. Sie brandmarken Münkler als Antidemokraten, weil er Niccolò Machiavelli und „den Faschisten“ Carl Schmitt behandelt. Doch selbst für Michel Foucault ist Machiavelli eine zentrale Figur der Ideengeschite, die linke Theoretikerin Chantal Mouffe verdankt Carl Schmitt wichtige Einsichten. Mouffe und Foucault stehen beide nicht im Verdacht, Antidemokraten zu sein.

Verschenktes Potenzial

Was im Blog an handfesten Vorwürfen bleibt, ist Münklers Lächeln über das Gendern und die männliche und eurozentristische Perspektive seiner Vorlesung. Um Ersteres zu kritisieren braucht es kein Blog, um Letzteres zu beheben, machen die Blogger nicht einmal Vorschläge.

Aus den Fehlern Münklers und seiner Kritiker sollten wir auch hier an der FU lernen. Lehrende dürfen sich nicht auf ihrem Status ausruhen und müssen offen dafür bleiben, ihre Ansichten auch nach Jahrzehnten der Forschung zu ändern. Die Studierenden dürfen bei bloßer Kritik nicht stehen bleiben. Von wem sollten alternative Ansätze ausgehen, wenn nicht von ihnen? Münkler-Watch hat großes Potenzial leichtfertig verschenkt.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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