An der FU können Prüfungen bald nur noch drei Mal wiederholt werden. Um Studierende zu entlasten, wollte die Uni die Durchfallquoten senken. Das ist so nicht passiert. Studierende sind sauer. Von Veronika Völlinger
Als die Studentin Melanie Geuter im Januar Vizepräsident Klaus Hoffmann-Holland im Akademischen Senat (AS) eine Frage stellte, war ein längst vergessenes Politikum wieder da: Was habe das Präsidium unternommen, um wie versprochen besonders schwierige Prüfungen an der FU ausfindig zu machen und zu überarbeiten? Diese Frage bezieht sich auf eine wichtige Neuerung: Ab dem kommenden Wintersemester können FU-Studierende ihre Prüfungen nur noch drei Mal wiederholen.
Die Regelung ist Teil der Rahmenstudien- und Prüfungsordnung, die 2013 nach vielen Monaten studentischen Protests beschlossen wurde. Studierendenvertreter konnten damals aushandeln, dass die Beschränkung der Prüfungswiederholungen erst nach zwei Jahren in Kraft tritt. „In der Zwischenzeit wollte das Präsidium versuchen, Module mit hohen Durchfallquoten zu identifizieren und, auf welche Weise auch immer, diese Quoten auf ein erträgliches Maß zu senken“, erinnert sich Asta-Referent Lasse Thiele. Denn für Studierende in Fächern mit besonders hohen Durchfallquoten, wie etwa in Mathe, könnte die Regelung dazu führen, dass sie nach vier erfolglosen Versuchen exmatrikuliert werden.
Doch unter Studierenden herrscht nun der Eindruck, dass in den vergangenen zwei Jahren nicht viel passiert sei. Als der zuständige Vizepräsident Hoffmann-Holland im AS auf Melanie Geuters Frage antwortete, berichtete er von einer unklaren Datenlage bei den Durchfallquoten. Außerdem sei Mathe eben ein schwieriges Fach – das schaffe nicht jeder. „Sehr bezeichnend, dass diese Antwort an der Frage vorbeizielte“, kommentiert Lasse Thiele. Die Studierendenvertreter werfen dem FU-Präsidium vor, eine wirkliche Verbesserung der Situation, etwa durch eine Vereinfachung der Prüfungen, nie im Sinn gehabt zu haben.
Laut Hoffmann-Holland ein Missverständnis: Wer damals versprochen habe, Prüfungen zu vereinfachen, könne er bis heute nicht nachvollziehen. Doch Belege finden sich: Wie FURIOS zu einem früheren Zeit punkt berichtete, sagte FU-Präsident Peter-André Alt im Juni 2012 auf einer studentischen Vollversammlung zu, Prüfungsansprüche in einigen Fachbereichen anzupassen. Etwa in den Naturwissenschaften sollten so die hohen Durchfallquoten reduziert werden.
Um herauszufinden, ob Studierende ihr Studium wegen zu schwieriger Prüfungen abbrechen, setzte Hoffmann-Holland auf eine Befragung exmatrikulierter Studierender. 0,5 Prozent der Befragten gaben als alleinigen Grund für ihren Studienabbruch an, dass sie eine erforderliche Prüfung nicht bestanden hätten. Wenn je doch nicht nur nach einem einzigen Grund für den Abbruch gefragt wurde, stellte sich die Situation schon anders dar. Etwa 17 Prozent der Befragten gaben eine nicht bestandene Prüfung als einen Grund für ihre Exmatrikulation an – bei den Naturwissenschaftlern sogar 25 Prozent.
Die Studierendenvertreter sehen die Befragung skeptisch. „Sicher sind die Meinungen von Ehemaligen auch wichtig“, sagt AS-Vertreterin Melanie Geuter. „Aber es sollten diejenigen miteinbezogen werden, die momentan studieren und die entsprechenden Klausuren schreiben.“
Doch diejenigen, die diese Klausuren schreiben, haben von den Bemühungen des Vizepräsidenten um die Identifizierung problematischer Prüfungsbedingungen nicht viel mitbekommen. „Da ist überhaupt nichts passiert“, sagt Matthias Krug von der Fachschaftsinitiative Mathe. Auch ein ehemaliges FSI-Mitglied bestätigt, dass das Thema erst zu Beginn des Jahres und nur auf Initiative der Studierenden wieder auf den Plan gerufen worden sei.
Von „weltfremden Regeln“ spricht Krug mit Blick auf die Begrenzung der Prüfungswiederholungen. Bisher lernten viele Studierende einen Stoff so lange, bis sie ihn eben konnten. So lange mussten sie dann auch die Prüfung wiederholen. Das werde nun „sabotiert“. Mathe-Studierende, die man auf den Gängen des Instituts danach fragt, haben sich an die Tatsache gewöhnt, dass ihr Fach schwierig ist und die Durchfallquoten hoch. „Dafür muss der Fleiß umso größer sein“, sagt eine Studentin.
Asta- und AS-Vertreter kritisieren, dass die neue Begrenzung der Wiederholungsprüfungen den Studierenden die Entscheidung abnimmt, wann sie ein Studium besser abbrechen sollten. Am Institut selbst stimmen aber viele Studierende der Ansicht zu, dass Mathe für diejenigen, die dreimal durch eine Prüfung fallen, vielleicht nicht das Richtige sei. Einen Niveau-Verlust will hier niemand. „Es ist keine Lösung, den Schwierigkeitsgrad zu senken“, sagt FSI-Mitglied Krug.
Das sieht auch Vizepräsident Hoffmann-Holland so. Lieber wolle er grundsätzlich für die Studierenden nachvollziehbar machen, welche Prüfungsanforderungen wann auf sie zukämen. So habe er etwa durchgesetzt, dass nur noch eine einzige Prüfung zum Abschluss eines Moduls erbracht werden müsse. Auch ein einjähriges Orientierungsstudium, eine Art Studium Generale, steht auf seiner Agenda. Weil die Erwartungen der Studierenden an das Studium oft von der Realität abwichen, könnten sie sich so frühzeitig informieren. Auch das würde Abbrüchen vorbeugen.
Von mehr Orientierung und Betreuung, etwa in Form der aktuellen Mentoring- Programme, hält FSI-Mitglied Krug jedoch nicht viel. „Das hilft in Mathe für die Klausuren niemandem“, sagt er. Stattdessen machten Studierenden in der Ausbildungskommission des Fachbereichs den Vorschlag, eine Art Leitfaden für Dozenten zu entwickeln.
Er soll ihnen Ideen an die Hand geben, wie sie bei Prüfungen vorgehen könnten, um zu verhindern, dass zu viele Studierende diese nicht bestehen. „Bei der Ausarbeitung einer Klausur sollte es Regel sein, dass mehrere Leute beteiligt sind, unter anderem die Tutoren“, nennt Krug als ein Beispiel. „Wir haben hier ein sehr kooperatives Verhältnis zu den Professoren, es gibt aber auch Fachbereiche, wo es leider ganz anders läuft“, betont er. Auch die Mathe-Dozenten wollten ihre Studierenden nicht durchrasseln lassen.
Es sind nur noch wenige Monate, bis die Beschränkung der Prüfungswiederholung in Kraft tritt. Die Studierenden am Mathe-Institut arbeiten weiter an ihrem Leitfaden – sehen das aber nur als „behelfsmäßiges Herumdoktern“. Vizepräsident Hoffmann-Holland wartet dagegen noch auf die Ergebnisse einer weiteren Exmatrikulierten-Befragung. Doch bei aller Evaluation werde sich erst mit Inkrafttreten der neuen Regelung zeigen, ob es tatsächlich zu Exmatrikulationen komme. Den Studierendenvertretern in AS und Asta ist diese fragwürdige Trial-and-Error-Mentalität nicht genug. „Ich hoffe, dass da vorher noch etwas geschieht“, appelliert AS-Vertreterin Melanie Geuter.