Leben auf großem Fuß

Jeder will irgendwie öko sein. Auch unsere Autorin hielt sich für umweltbewusst. Dann maß sie ihren ökologischen Fußabdruck und musste feststellen: Ein Detail verhagelt ihr die Bilanz. Von Lior Shechori

Neben den Bereichen Ernährung, Mobilität und Konsum wird auch die Kategorie Mobilität zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks herangezogen. Illustration: Luise Schricker

Neben den Bereichen Ernährung, Mobilität und Konsum wird auch die Kategorie Mobilität zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks herangezogen. Illu: Luise Schricker

Wie die meisten Studenten halte ich mich für umweltbewusst. Aber wie nachhaltig lebe ich wirklich? Das berechnet der sogenannte ökologische Fußabdruck. Er gibt an, wie viele Ressourcen ein Mensch verbraucht. Sein Wert wird in biologisch produktiver Fläche gemessen dargestellt in der Maßeinheit „globale Hektar“ (gha). Denn egal ob Energiegewinnung, Bauland oder Viehzucht: Jedes Wirtschaften beansprucht Fläche. Der ökologische Fußabdruck wird für Länder, Regionen und Städte berechnet, kann aber auch für Privatpersonen ermittelt werden.

Wie groß mein persönlicher Fußabdruck ist, kann ich bei einem Onlinetest herausfinden. Vier Lebensbereiche werden bemessen: Ernährung, Wohnung, Konsum und Mobilität. Ich gebe meine Daten für einen durchschnittlichen Tag an. Miranda Schreurs, Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik der FU, gab mir dabei Tipps, wie ich mein Leben ökologisch nachhaltiger gestalten kann.

Ernährung

Zum Frühstück schneide ich mir einen Apfel oder eine Birne klein, streue Bio-Müsli drauf und gieße Hafermilch dazu. Ich versuche, so wenige tierische Produkte wie möglich zu essen. Das ist gut für meinen ökologischen Fußabdruck: Besonders Fleischverzehr kann ihn in die Höhe treiben. Laut einer Studie der Umweltschutzorganisation WWF sind tierische Lebensmittel für etwa 70 Prozent der durch die Ernährungsindustrie verursachten Treibhausgase verantwortlich.

Insgesamt ist mein Fußabdruck im Bereich Ernährung relativ klein – 0,8 gha, weniger als die Hälfte des deutschen Durchschnitts. Um ihn noch zu verkleinern, könnte ich aber noch mehr auf die Herkunft meiner Lebensmittel achten. Denn die Tatsache, dass man regionale oder importierte Lebensmittel kauft, beeinflusst klar die Größe des Fußabdrucks. Das bestätigt mir FU-Professorin Schreurs„Brauchen wir wirklich die Kiwi aus Neuseeland oder sind wir auch mit einem Apfel aus Polen zufrieden?“, fragt sie mich. Am besten sei es, bei lokalen Händlern und kleineren Märkten einzukaufen.

Wohnen

Bevor ich meine Wohnung verlasse, mache ich die Heizung aus, schaue nach, ob der Drucker aus ist und ob keine Ladegeräte in der Steckdose stecken. Das verbraucht unnötig Strom. Dass ich in einer WG mit zwei Mitbewohnern lebe, wirkt sich sehr positiv auf meinen Fußabdruck aus – mit 0,8 gha fällt er auch hier sehr niedrig aus. Dadurch, dass wir uns Strom und Heizung teilen und einige Einrichtungsgegenstände gemeinsam benutzen, verbrauchen wir weniger Ressourcen.

Laut Schreurs gibt es beim Wohnen zwei wichtige Faktoren, die unseren Fußabdruck vergrößern. Der erste ist unser Kühlschrank. Dieses Gerät verbraucht sehr viel Strom – besonders ältere Modelle. Es lohnt sich also, in ein energieeffizientes Modell zu investieren. Der zweite Faktor sind Geräte im Stand-by Modus, wie zum Beispiel der angeschlossene Drucker.

Mobilität

Zur Uni fahre ich mit der Bahn. Ich würde gerne mit dem Fahrrad fahren, aber leider wohne ich zu weit weg. Würde ich auf Bus und Bahn verzichten, könnte ich meinen Fußabdruck nochmal um 0,3 gha senken. Doch mein ökologischer Fußabdruck vergrößert sich vor allem durch ein entscheidendes Detail: das Fliegen. Ungefähr 20.000 km lege ich pro Jahr mit dem Flugzeug zurück. Ich studiere gern in Deutschland, aber möchte auf meine Heimatbesuche in Israel nicht verzichten. Daher steigt der Wert meines ökologischen Fußabdrucks im Bereich Mobilität. Er liegt bei 2,5 gha, das ist mehr als das dreifache des Durchschnitts.

„Fliegen ist das Schlimmste, was wir der Umwelt antun können“, betont Schreurs. Kaum etwas emittiere mehr CO². Wer nur einmal im Jahr fliegt, liegt schon über dem deutschen Durchschnitt im Bereich Mobilität. Es gibt aber Wege, die durch das Fliegen erzeugten CO²-Emissionen zu kompensieren, erklärt Schreurs. Man könne einen Baum pflanzen oder an ein Umweltorganisation spenden, die sich für den Abbau von CO²-Emissionen einsetzt.

Konsum

Der Sommer kommt bald und ich möchte mir etwas Neues gönnen. Ich entdecke prompt die perfekte Bluse. Ich nehme sie vom Kleiderbügel und gucke auf das Etikett. Enttäuscht lege ich die Bluse wieder zur Seite. Nicht der Preis hat meine Meinung geändert, sondern die Stoffhinweise: Die Bluse ist aus Polyester.

Für Schreurs ist das die richtige Entscheidung: Die Produktion von Waren aus Kunststoffen erzeugt viel mehr CO²-Emissionen als die von Naturstoffen. Nicht nur der Verbrauch an sich sondern auch der aus dem Konsum resultierende Müll wirken sich negativ auf den Fußabdruck aus. Da ich Studentin bin und keinen großen Überschuss auf meinem Bankkonto habe, halten sich meine Einkaufstouren in Grenzen – mein Fußabdruck liegt hier bei 0,5 gha. „Wir müssen uns fragen, was wir wirklich brauchen und worauf wir verzichten können, um gerechter mit unserer Erde umzugehen“, sagt Schreurs.

Fazit

Mein Ergebnis liegt am Schluss bei 5,7 gha. Das ist wesentlich mehr als die 1,8 gha, die der WWF als nachhaltigen Fußabdruck angibt. Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 4,6 gha. In allen Bereichen lag ich unter diesem Durchschnitt, aber das Fliegen vergrößert meinen Fußabdruck enorm. Ist es überhaupt möglich, den Wert von 1,8 zu erreichen? Ja, sagt Schreurs. „Aber nur, wenn man auf mehreren Ebenen aktiv wird“. Auf der politischen Ebene müssten wir uns für nachhaltige Energiegewinnung einsetzen, sagt sie. Auf der persönlichen Ebene können kleine Änderungen im Lebensstil große Wirkungen haben, wie der Verzicht auf Fleisch oder Flugreisen.

Die Auseinandersetzung mit meinem ökologischen Fußabdruck hat mir einiges klar gemacht. Umweltbewusste Ernährung und energieeffiziente Elektrogeräte sind zwar wichtig. Aber wenn ich meine Heimatflüge nicht kompensiere, wird mein Fußabdruck wohl groß bleiben. Das Ziel des ökologischen Fußabdrucks ist es, zum Nachdenken anzuregen; über unsere kulturelle Normen, unser Konsumverhalten und unser Verständnis von dem, was wir brauchen. Doch große Änderungen auf gesellschaftlicher Ebene werden nicht möglich sein, solange sich nichts Wesentliches in der Politik bewegt. Dafür braucht es Zeit und vor allem auch öffentlichen Druck, erzeugt von Menschen, denen die Zukunft unserer Erde wichtig ist.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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