Von Berlin nach Cannes

FU-Student Cheong Kin Man drehte einen Film und landete damit prompt auf den Filmfestspielen in Cannes. Vor der Bezeichnung Filmemacher schreckt er trotzdem zurück. Von Hanna Sellheim

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Cheong Kin Mans Film lief in der „Short Film Corner” in Cannes. Foto: Association des Anciens Étudiants en France (Hong Kong & Macao) French Alumni Association Hong Kong & Macao

Die Geschichte von Cheong Kin Man ist eine, die ermutigt, Nein zu einem vorgezeichneten Lebensweg zu sagen und Risiken einzugehen. Sie beginnt in der portugiesischen Kolonie Macau. Hier arbeitet Cheong nach dem Abschluss seines Studiums in Portugal als Dolmetscher bei der Regierung. Doch er gibt den sicheren Arbeitsplatz auf, um noch einmal zu studieren: Er schreibt sich für das Master-Programm „Visual and Media Anthropology“ an der FU ein. Es ist zwar ein Fernstudium, doch seine wenigen Urlaubstage reichen nicht aus, um für die In-Class-Workshops vor Ort zu sein. Also verlässt Cheong seine geliebte Heimat und zieht nach Berlin.

Es ist die richtige Entscheidung: Er genießt die Freiheit in Berlin, die vielen kreativen Möglichkeiten, die er in Macau nicht hat. Für den Abschluss seines Masters entschließt er sich, einen Film zu drehen. Titel: „Eine nutzlose Fiktion“. Monatelang arbeitet er daran, ist schließlich kurz davor, den ganzen Film zu löschen, so banal erscheint er ihm. Selbst heute scheint Cheong noch überrascht, wenn er erzählt, wie begeistert Freunde und Dozenten waren, als sie seinen Film zum ersten Mal im Kino Movimento in Kreuzberg sahen. Mehr aus Spaß sendet Cheong daraufhin seinen Film bei verschiedenen Festivals ein, gewinnt prompt den Rising-Star-Award des Canada International Film Festival und wird zum Festival de Cannes eingeladen.

Youtube-Tutorials und ein iPhone als Kamera

„Eine nutzlose Fiktion“ ist kein leichter Film, er ist subtil, tiefgründig und verwirrend. „Experimentell“, sagt Cheong. Aufnahmen desselben Motivs aus verschiedenen Perspektiven oder aus einem fahrenden Auto gefilmte Landschaften wechseln sich ab. Der Ton besteht vorwiegend aus zufälligen Straßenaufnahmen, gelegentlich spricht Cheong selbst. Ab und zu werden Gedichte oder Zitate der Rezeption des Zuschauers ohne Kommentar überlassen. Ansonsten dominieren Untertitel in Englisch, Koreanisch und Kantonesisch. Fiktive, schauspielerische Szenen gibt es keine, doch das ist gewollt: das ganze Werk ist ein Spiel mit der Metaebene, ein Film über das Filmemachen selbst.

„Ich habe innerhalb von einer Woche mithilfe von Youtube-Tutorials Schneiden gelernt“, erzählt Cheong über den Entstehungsprozess des Films. „Die meisten Aufnahmen sind mit meinem iPhone gemacht worden.“

Doch gerade dieser Anschein von Unprofessionalität lässt die Botschaft des 31-minütigen Films ungehemmt auf den Zuschauer wirken. Wie der Titel schon andeutet, werden die Gegensätze nutzlos/wichtig und Fiktion/Realität verhandelt und die Frage nach ihrer Abgrenzung gestellt. Es geht um Identität und ihre Beziehung zur Sprache. Deshalb kämpft Cheong auch dafür, dass der Film bei den Festivals in seinem mehrsprachigen Originaltitel „uma ficção inútil – 小說無用 – tiểu thuyết vô dụng“ angekündigt wird. Alles andere nehme ihm ein Stück seiner Bedeutung.

Am Strand von Cannes

Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde der Film tatsächlich unter dem langen Originaltitel gezeigt. Hier lief er in der „Short Film Corner“, in der vor allem die Werke junger, aufstrebender Künstler gefördert werden. Doch Cheong bedeuten die Atmosphäre der Filmfestspiele, die Urlaubsstimmung am Strand mehr als der Prestigewert des Festivals. Begeistert erzählt er auch von den Prominenten, die er getroffen hat, wie etwa die deutsche Schauspielerin Anna Maria Sturm. Trotz seines eigenen Erfolgs sieht er sich selbst immer noch eher auf der Seite der Bewunderer als der der Bewunderten. Auch vor seiner neuen Berufsbezeichnung schreckt er zurück: „Filmemacher? Ich würde eher sagen, dass ich höchstens so etwas wie ein Medien-Anthropologe bin“, sagt er in fast verlegener Bescheidenheit.

Trotzdem kann er nicht leugnen, dass sein Film von allen Seiten begeistert aufgenommen wird. Nach dem Festival reist Cheong mit seinem Film weiter, zu Vorführungen in Italien, Spanien – und, wie er hofft, bald auch in Deutschland. Neue Filme will er erst drehen, wenn er gut genug vorbereitet ist. „Dann darf er aber auch gerne noch verrückter werden!“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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