Essen, Kleidung, Bücher: die Sharing-Bewegung findet immer mehr Anhänger. Die Nachhaltigkeitstage an der FU fanden viel Zuspruch. Online scheinen sich die Studierenden mit dem Teilen schwerer zu tun. Von Kim Mensing
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Wer hat sie nicht, die Kleidungsstücke, die schon so lange in der hintersten Ecke des Schranks liegen und in Vergessenheit geraten sind? Nicht verwunderlich also, dass beim „KleiderTauschRausch“ Anfang Juni viele Studenten vor der Mensa II die Möglichkeit nutzten, Alt gegen Neu zu tauschen. Clara ist eine der Initiatoren des Projekts, das aus der Hochschulgruppe Sustain-It entstand und im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitstage stattfand. Mit dem Kleidertausch-Basar will sie gemeinsam mit ihren Mitstreitern eine Alternative zu Konsum und Wegwerfkultur aufzeigen. Aus demselben Ansporn heraus gründete Politikstudent Philip eine Facebook-Gruppe.
Gegen den Kommerz
Nicht nur Studenten begeisterten sich vor der Mensa fürs Tauschen. Die 56-jährige Sabine aus Schöneberg folgte einer Einladung aus dem Radio und war begeistert: „Das ist wirklich eine tolle Aktion. Vor allem ist es nicht so kommerzialisiert wie bei den großen Second-Hand-Ketten.“ Nicht die Profitmache, sondern der Spaßam Tausch stand im Vordergrund. So findet eine Besucherin, man könne gar nicht mit leeren Händen nach Hause gehen: Diese Aktion bringe schließlich auch Leute zusammen. Clara freut sich über das positive Feedback und wagt eine kleine Zukunftsprognose: „So wie es aussieht, wird es bestimmt noch weitere Kleidertausch-Aktionen geben!“
Diesen Erfolg kann Philip leider nicht teilen. Vor einem Jahr gründete der Politikstudent die Facebook-Gruppe „Sharing is caring –Freie Universität Berlin“. Heute zählt sie gerade einmal 60 Mitglieder, nur ein paar verlorene Posts finden sich in der Timeline. „Verkaufe: Ikea Schreibtisch, 25 Euro. Suche: günstiges WG-Zimmer.“ Eigentlich nicht der Sinn der Sache. Auch an den analogen Pinnwänden neben der großen Mensa hängen reihenweise Verkaufsanzeigen, aus denen hervorgeht, aus was man noch alles Profit schlagen möchte: alte Fachbücher, Möbel und Hausarbeitenkorrekturen. Selbst spannende Studien finden keine Teilnehmer ohne eine ordentliche Vergütung. Sind wir zu kapitalistisch orientiert, um uns auf Tauschhandel einzulassen?
Tauschen für den Zusammenhalt
Philip sieht das Problem weniger in den einzelnen Studenten, als in der Größenordnung der Universität. Die Idee für die Sharing-Gruppe kam ihm bei einem Besuch in Sankt Gallen, wo ein Freund von der Gruppe der dortigen Uni schwärmte. Facebook ist hier Dreh- und Angelpunkt jeglicher Tauschaktivitäten: alte Klausuren, Fachbücher oder auch Mitfahrgelegenheiten –alles wird geteilt. Denkt Philip an sein Vorbild aus der kleinen schweizer Studentenstadt, muss er allerdings zugeben: „Der Zusammenhalt unter den Studenten ist dort einfach stärker. In Berlin kennen sich viele untereinander gar nicht.“
Auch Clara sieht diesen Zusammenhang. Der Kleidertausch wäre wohl online weniger gut angekommen: „Es ist schwer, die Leute zu erreichen –man muss es ihnen direkt vor die Nase halten.“ Dass das grundlegende Interesse zum Tausch fehlt, lässt sich nach der positiven Erfahrung mit dem Kleiderbasar also nicht behaupten. Außerdem gibt es noch viel mehr Tauschbares: Wissen, Lernmaterial, Essen. Viel Potenzial dafür, dass die Sharing-Bewegung bald auch die Uni erobert. Darüber würden sich sicher mehr als die zwei freuen.