Eine “besondere Ehre”? Das gemeinsame Orchester der FU und TU hat für die Queen ein Konzert gegeben. Zu den freiheitlich-demokratischen Grundsätzen der Uni passt das aber nicht, findet Julian Daum.
Elisabeth II macht sich gut auf dem Cover der Sex Pistols: „God save the Queen“ steht da auf einem Streifen mitten über ihrem Gesicht. Als Tribut oder Verneigung vor der Frau war die Single jedenfalls nicht gedacht. Sänger Johnny Rotten ist da sehr deutlich, wenn er ihr am Ende mit „no future for you“ das Existenzrecht abspricht.
Einen sehr gegenteiligen Ansatz für die Darbietung ihrer Musik haben am vergangenen Mittwoch die Musiker des Collegium Musicum der TU und FU gewählt. Für die muss die alte Dame wiederum ein ganz besonderer Mensch sein. Eine “besondere Ehre” sei es , ein Konzert für sie zu geben, so jedenfalls die Pressemitteilung der FU.
Die nette Oma und das imperialistische Erbe
Es ist also eine Ehre für die Freie Universität, der Queen of England ein Ständchen zu spielen. Das passt aber nicht zusammen mit der freiheitlichen-demokratischen Ordnung, der sich die FU verschrieben hat. Jedenfalls, wenn Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit nicht bloß eine Zusammenstellung lateinischer Buchstaben auf dem Emblem der FU sein soll.
Natürlich darf man ein Konzert für Staatsgäste geben. Natürlich behauptet hier niemand, dass Großbritannien kein demokratischer Staat sei. Die Queen ist ein Staatsgast. Nur darf eben auch nicht vergessen werden, dass diese Frau außerdem noch „Queen of the Commonwealth Realms“ ist und damit für eine Jahrhunderte währende expansorisch-imperialistische Geschichte steht, die bis heute andauert. Um es deutlich zu sagen: Die nette Oma unterschreibt als Staatsoberhaupt die Todesurteile, die in einigen dieser Länderverhängt werden .
Keiner kritisiert den Popstar
Dementsprechend ist Elisabeth kein normaler Staatsgast. Sie ist nicht etwa ein Pendant zu Joachim Gauck, kein gewähltes Winkäffchen oder Moralinstanz der Nation. Sie und ihre Familie stehen ohne jede demokratische Legitimation an der Spitze eines Staates, der jährlich 40 Millionen Pfund für sie ausgibt, von den Erträgen ihrer Ländereien und sonstigen Besitzungen ganz zu schweigen.
All diese Dinge disqualifizieren sie eigentlich dafür, von der Freien Universität mit einem Konzert geehrt zu werden. Doch die Unileitung hat sich offenbar dazu entschieden, etwas von dem Glanz des Popstars abzubekommen, zu dem sich Elisabeth in den vergangenen sechs Dekaden gemausert hat.
Eine tolle Strategie übrigens, der Popstar Elisabeth, die Marke Queen, die durch die Kommerzialisierung ihrer Person gleich zweierlei erreicht hat: Mit all dem Glamour lassen sich oben genannte demokratische Widersprüche schnell vergessen. Gleichzeitig stellt sie das Existenzrecht der doch hin und wieder kritisierten Institution Monarchie in persona dar. Denn angeblich hängt ja der komplette Dienstleistungssektor an ihr. Auch Johnny Rotten erkannte das bereits 1977, als er sang: „God save the Queen, ´cause tourists are money“.
Deswegen ist bei all der Queen-Euphorie Kritik durchaus angebracht. Das Orchester einer Universität (in diesem Falle zweier Universitäten) sollte nicht für die musikalische Ehrung von Staatsgästen instrumentalisiert werden. Denn es ist nicht Aufgabe einer universitären Institution einer etwaigen politischen Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen.
Es war anläßlich der Queen’s Lecture, die sie persönlich 1965 an der TU ins Leben gerufen hat. Hier war sie also als Ehrengast ihrer eigenen Vorlesungsreihe. Was hat das mit Politik zu tun? Es war eine wissenschaftliche Veranstaltung.
Bitte nicht vergessen, dass England eine der Streitmächte war, die damals die Freiheit West- Berlins garantiert haben. Schon deshalb haben Berliner eine besondere Haltung der Queen gegenüber. Aber das mag schon in dieser Generation vergessen sein.