TV, Twitter, Mediathek: Wie beeinflusst die Digitalisierung unser Fernsehverhalten und die TV-Formate? Das untersuchen FU-Forscher in einer Studie. Dorothea Drobbe war Probandin.
[slideshow_deploy id=’24927′]Für uns ist es ein ganz normaler Fernseh-Abend. Mein Freund und ich sitzen auf dem Sofa, verstreuen Pizzastücke und Schokoriegel um uns herum und schauen gemeinsam den „Tatort“ an. Auf meinem Smartphone verfolge ich, wie Menschen bei Twitter die Sendung auseinander nehmen. Hin und wieder muss ich lachen und zeige meinem Freund den einen oder anderen Tweet. Eigentlich ist alles wie immer. Wäre da nicht diese Kamera neben dem Fernseher, die jede unserer Bewegungen aufzeichnet.
Tatort für die Wissenschaft
Wir sitzen als Probanden in einer komplett eingerichteten Forschungswohnung. Testpersonen für wissenschaftliche Studien sollen sich hier ganz wie daheim fühlen und dementsprechend normal verhalten. Wir haben uns beim Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der FU für die sogenannte „Second-Screen-Studie“ beworben. Unsere Aufgabe lautet: Schaut Fernsehen und verhaltet euch so, wie ihr es immer tut. Gesucht wurden Personen, die sonntags regelmäßig „Tatort“ schauen und dabei „Second Screens“, also zweite Bildschirme wie Handys, Tablets oder Laptops nutzen. Mit der Studie wird erforscht, wie Menschen während des Fernsehens weitere Medien nutzen.
Ada Fehr und Christian Strippel leiten die Studie. Sie beobachten während des Films zum Beispiel die Körperhaltung ihrer Probanden. Wie verändert sich diese, wenn sie auf den Fernseher oder das Handy schauen? In welchen Momenten wechseln sie vom einen zum anderen Bildschirm? „Das Erkenntnisinteresse liegt am ehesten in der Aufmerksamkeitsverteilung zwischen den beiden Screens“,erklärt Fehr. Deswegen wird in der Studie auch gar nicht erhoben, was man mit seinem Handy tut. Wichtiger ist das Wie.
Konvergenz von Fernsehen und Internet
Die Second-Screen-Studie gehört zu einem viel größeren Forschungsprojekt, dass Fehr und Strippel seit Januar 2015 unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Emmer und Prof. Dr. Joachim Trebbe durchführen: „Die Konvergenz von Fernsehen und Internet aus Angebots- und Nutzungsperspektive“. Darin untersuchen sie, wie sich das Fernsehen als herkömmliche Medienform mit der Digitalisierung verändert und weiterentwickelt. Das ist noch immer kaum erforscht.
Fehr interessiert sich dabei besonders für die Medienformate, die Fernsehen und Internet kombinieren. „Ich will wissen, was das mit den Angeboten macht, welche Funktionen diese erfüllen müssen, sollen und können“, erklärt sie ihren Forschungsschwerpunkt. „Und was wünscht sich das Publikum?“ Für Fehr sind Sendungen interessant, die Hashtags einbinden, oder TV-Shows, die nur noch gesteuert werden, wenn Zuschauer via App abstimmen.
Was schauen wir in der Zukunft?
Die größte Schwierigkeit des Projekts besteht darin, dass es viele Begriffe für bestimmte Phänomene noch nicht gibt und die verschiedenen Angebote sich noch nicht in einheitliche Kategorien einteilen lassen. Fast jeder hat schon einmal eine Sendung in der ZDF-Mediathek geschaut, die Jauch-Talkshow gestreamt oder – natürlich – Zeit auf Youtube verschwendet. „Aber wenn ich jemanden frage: ‚Guckst du Fernsehen?‘ ist die häufigste Antwort: ‚Nein, Fernsehen guck ich nicht‘“, sagt Fehr. Im normalen Sprachgebrauch fällt das nicht unter den Begriff Fernsehen. Entwicklungen wie diese möchte sie klassifizieren.
Fehr und Strippel stehen noch ganz am Anfang des Projektes, das auf drei Jahre angelegt ist. Die Second-Screen-Studie war der empirische Anfang. Erste Erkenntnisse daraus haben die beiden kürzlich auf einem Workshop in Friedrichshafen vorgestellt. In den nächsten drei Jahren werden sie weiter analysieren, wie die neuen verschmolzenen Medienformate unser Verhalten verändern.