Zweihändig Klavier spielen kann jeder. Für vier Hände komponieren die wenigsten. 13 amerikanische Studierende haben es in einem Kurs an der FU gelernt und meisterhaft präsentiert. Von Anke Schlieker
Es herrscht vollkommene Stille im Großen Saal der Neuen Synagoge. Dann beginnt ein Student in langsamen, gleichmäßigen Abständen gegen die Innenwand des Konzertflügels zu schlagen. Die Finger einer jungen Frau rasen in lauten Akkorden die Klaviatur herunter. Ein gewöhnliches Klavierkonzert war „Four Hands Across the Sea“ nicht. Es bildete den Abschluss des elften und vorerst letzten Kompositionskurses der diesjährigen Internationalen Sommer- und Winteruniversität der FU (FUBiS). Unter der Leitung Samuel Adlers, emeritierter Professor der renommierten Juilliard School in New York, komponierten dreizehn junge Musiker aus den Vereinigten Staaten Klavierstücke zu vier Händen. Deren Uraufführung fand vergangenen Mittwoch in der Neuen Synagoge statt.
In ihrer Begrüßungsrede berichteten Sophia Krause und Ole Spies, beide Mitarbeiter der FUBiS, von all den Instrumenten und den Musikern, die in den letzten Jahren im Rahmen des Kompositionskurses zum Einsatz kamen. Von Violine und Cello, bis hin zu Klarinette und Posaune. Erstaunlich einfach dagegen die diesjährige Besetzung: „Was wir dieses Jahr brauchen, sind vier Hände und ein Klavier“. Denn im Gegensatz zu den Vorjahren präsentierten die jungen Komponisten ihre Werke selbst auf der Bühne.
Was dabei herausgekommen ist, kann sich sehen lassen. Dreizehn einzigartige Stücke verschiedenster Stile sind entstanden, so unterschiedlich wie ihre Komponisten. Ruhige, melodische Passagen wichen lauten, von Dissonanzen geprägten Segmenten. Mal spielten vier Hände, mal nur zwei Finger. Und manchmal spielten die Pianisten so kraftvoll, dass sie das Klavier wortwörtlich zum Wackeln brachten. Mit vier Händen sicherlich leichter als mit zwei.
Werke für zwei Pianisten wurden ursprünglich konzipiert, um das Nachspielen komplexer Stücke leichter zu machen. Sie zu komponieren hingegen ist eine ganz andere Herausforderung. „Man ist daran gwöhnt, dass sich die Hände in einem bestimmten Umfang bewegen. Bei vier Händen muss man das in einen größeren Bereich übersetzen, ohne an Balance oder Vielfalt zu verlieren.“, erklärt Kursteilnehmer Auburn Lee. „Mit doppelt so vielen Händen entstehen doppelt so viele Probleme.“
Die Möglichkeit diese zu lösen hatten die Studierenden in den wöchentlichen Einzelstunden mit Adler. Darin, berichtet Nelson Gast aus Michigan, bestehe auch das Besondere an dem Kurs. „Er ist wirklich ins Detail gegangen und hat immer wieder gefragt: Was passiert, wenn du diese Note änderst? Oder diese?“ Denn Komponieren konnten die Studierenden auch vor Beginn des FUBiS-Programms. Um aufgenommen zu werden, müssen mehrere hochwertige Eigenkreationen eingereicht und die frühere Teilnahme an einem anerkannten Kompositionskurs nachgewiesen werden. Das vierhändige Komponieren war dagegen für alle Teilnehmer eine neue Erfahrung.
Die Premiere war zugleich Finale, denn der Kompositionskurs unter der Leitung Adlers fand dieses Jahr zum letzten Mal statt. Das Motto „Four Hands Across the Sea“ wählte der Deutsch-Amerikaner dabei sicher nicht zufällig, steht es doch für die guten Beziehungen über den Atlantik hinweg. Auch für Nelson Gast bedeutet das Thema die Verbindung zur Heimat. „Wir konnten hier in Berlin unseren eigenen, amerikanischen Musikstil präsentieren.“