„Oh, Heute hat der Krieg begonnen. Niemand wollte es glauben.” So kommentierte Astrid Lindgren den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Nun sind ihre Tagebücher der Kriegsjahre erschienen. Von Enno Eidens
Kaum jemand wird anzweifeln, dass Astrid Lindgren zu den besten Kinderbuchautorinnen der Welt gehört. Kindliche Leichtigkeit, die Freude am Entdecken der Welt und die Schönheit der Menschlichkeit finden selten so schön zueinander, wie es in Bullerbü, Britt-Marie oder Pippi Langstrumpf der Fall ist. Nun werden Tagebücher dieser Autorin veröffentlicht. Tagebücher, die sie in den Kriegsjahre 1941 bis 1945 im vom Krieg verschonten Schweden verfasst hat. Nie für die Öffentlichkeit gedacht, sind sie doch unglaublich gute Berichte ihrer Zeit. Lindgren schreibt tagesscharf über aktuelle Ereignisse aus dem Krieg und ihrem Privatleben.
Da wird auf derselben Seite der Geburtstag ihrer Tochter Karin und der letzte Feldzug Hitlers besprochen. Die Tagebücher verkommen so nie zu spröden Berichten. Lindgren schrieb schon damals vor Beginn ihrer literarischen Karriere unglaublich gut, griffig, humorvoll und emotional. Das hat mich irritiert, erwartet man beim Zweiten Weltkrieg doch den reinen Horror. Den bekommt man auch. Konzentrationslager, Hungersnöte und Todesopfer werden erwähnt und betrauert. Astrid Lindgrens optimistischer und lebensfroher Schreibstil ist jedoch stärker als die Wehen des Zweiten Weltkrieges. Unter ihrer Feder werden aus den damaligen Staatsführern kleine süße Männer, Hoffnungsträger, Bösewichte. Lindgren trauert, weint, doch die Hoffnung auf einen frühen Frieden wird selbst bis in den Kriegswinter 1943 nicht aufgegeben. Kriegswinter, in denen Lindgrens Familie schmausen kann, während Europa in Trümmern liegt.
Vor allem Skandinavien findet Erwähnung
Astrid Lindgrens Tagebücher sind einzigartig. Für Geschichtsinteressierte kann es sehr wertvoll sein, den gesamten Kriegsverlauf aus einer Perspektive zu erleben. Alle wichtigen Ereignisse finden Erwähnung und werden mehr oder weniger eingeordnet. Vor allem die skandinavischen Völker finden viel Erwähnung. Die Beziehungen zwischen Norwegen, Finnland, Schweden und Dänemark gewinnen so stark an Tiefe. Man erfährt auch viel über die Kriegsschuld Schwedens, über die Kooperation mit den Deutschen und die Kenntnis der Bevölkerung über die Vernichtungslager. Das alles in Lindgrens Stil zu lesen, kann irritieren, verliert aber nie an Wert.
Die deutsche Übersetzung des Buches wird durch Faksimilies, also Originalseiten der Tagebücher, sowie die darin eingeklebten Zeitungsausschnitte und Bilder aus Lindgrens Leben ergänzt. Wer möchte, kann einen ganzen Tagesbefehl von Adolf Hitler lesen. Dreiseitig. Die eigentlichen Tagebücher sind da spannender.