Ob NS-Opfer auf dem Campus verscharrt wurden, ist bis heute unklar – die dort gefundenen Knochenreste wurden vorschnell verbrannt. Jetzt will die FU den Fall endlich aufklären. Gut so, findet Alexandra Brzozowski.
Erneut wurden wohl Menschenknochen auf dem FU-Campus gefunden. Diesmal jedoch nicht bei Bauarbeiten, sondern weil ein Team aus Archäologen nach ihnen gesucht hat. Mit der Suchaktion versucht die Universität eine üble Panne aus dem Vorjahr wiedergutzumachen: Der erste Fund wurde ohne weitreichende Untersuchungen verbrannt.
Rückblick: Bei Bauarbeiten nahe der Universitätsbibliothek in der Harnackstraße werden im Sommer 2014 Knochenreste gefunden. Daneben findet man zehn runde Plastikmarken mit handschriftlichen Kennzeichnungen. Solche findet man oft bei medizinischen Präparaten aus einem Labor. Der Fund wird schließlich der Gerichtsmedizin übergeben, die herausfinden soll, ob es menschliche Knochen sein könnten. Das Ergebnis lässt keinen Zweifel. Es handelt sich tatsächlich um die Überreste von mindestens 15 Personen.
An sich bereits ein grausiger Fund. Jedoch steht auch nur wenige Meter vom Fundort entfernt das Gebäude, das bis 1945 das „Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik“ (KWI) beherbergte. In der NS-Zeit waren dort Leichenteile aus dem Vernichtungslager Auschwitz untersucht worden, die der KZ-Arzt Josef Mengele an das Institut schickte.
Mangelhafte Kommunikation
Der Verdacht, dass die gefundenen Knochen von Holocaust-Opfern stammen könnten, steht deshalb schon länger im Raum. Endgültig klären ließ sich das jedoch dann nicht mehr – denn die Knochen wurden ununtersucht eingeäschert.
Wie das passieren konnte, weiß niemand so wirklich. In der Folge entbrannte ein Streit zwischen FU, Polizei und den Rechtsmedizinern von der Charité: Keiner wollte verantwortlich sein für die Kommunikationspanne. Der Tagesspiegel berichtete damals, dass die FU die Polizei zwar auf die Nähe des Fundortes zum KWI aufmerksam gemacht habe. Den möglichen Bezug zur NS-Zeit aber habe weder die Universität noch die Polizei hergestellt.
Weil nicht klar war, wer genau verantwortlich war, schien es als passierte lange Zeit nichts. Denn erst ein Jahr nach dem Fund gehen die Untersuchungen voran. So konnte der Eindruck entstehen, es fehlte an Zeit und Wille zur Aufklärung. Warum hat sich die Universität der Sache nicht gleich angenommen? Es müsste doch gerade im Interesse der FU liegen, dieser Geschichte nachzugehen. Zwar steht sie in keinerlei Beziehung mit den damaligen Geschehnissen in den KWI-Gebäuden, da die FU zur NS-Zeit noch nicht existierte und erst 1948 gegründet wurde. Sie hat aber diese Gebäude zur Nutzung übernommen und die Knochen liegen auf dem Campus.
Trotzdem wurden die Knochen einfach eingeäschert. Den Medien blieb das nicht verborgen, sie berichteten zahlreich über den Fall und seine Pannen. Es scheint, dass erst durch diesen öffentlichen Druck ein neuer Anlauf gestartet wurde.
Endlich Bewegung
Mit der zweiten Grabung übernimmt die FU nun Verantwortung. Endlich sollte es Gewissheit geben. Das FU-Präsidium schaltete dazu diesmal eine Expertengruppe ein. Nur konsequent, dass die neue Grabung auch von einem Archäologen-Team der FU begleitet worden ist und man sich somit auch intern an der Aufklärung beteiligt hatte. Ein Bericht mit Ergebnissen soll folgen. Nach den Versäumnissen beim ersten Fund setzt man nun scheinbar auf Transparenz und Aufklärung. Diesmal, so wirkt es, will man alles richtig machen.