90 Jahre für den Widerstand

Claude Lanzmann ist vor allem für seinen Dokumentarfilm „Shoah“ bekannt. Auf einer Tagung anlässlich seines 90. Geburtstags erfuhr Judith Hollnagel jedoch noch mehr über ihn – und über seine Zeit an der FU.

Nach 66 Jahren kehrte der Regisseur Claude Lanzmann zu seinem Geburtstag zurück an die FU. Foto: Bernd Wannenmacher

Mitten im Wald steht Claude Lanzmann mit einem älteren Herrn vor einer Lichtung. „Ja, das ist der Platz“, sagt der Mann mit polnischem Akzent. Die Lichtung wirkt friedlich, man hört nichts außer Vogelgezwitscher, zirpenden Insekten und dem Rauschen des Windes. Nur die Überreste langer, schmaler Gebäude deuten darauf hin, dass sich hier einst ein Vernichtungslager befand. „Es war immer so ruhig hier. Immer. Niemand hat geschrien. Jeder hat seine Arbeit gemacht.“ Die langsame Kameraführung zwingt den Zuschauer, ganz genau hinzusehen und auf jedes Detail zu achten. So prägen sich die bedrückenden Bilder besonders tief ein.

Sie stammen aus dem Dokumentarfilm „Shoah“, mit dem Lanzmann im Jahr 1985 einen entscheidenen Beitrag zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte geleistet hat. 12 Jahre hat er mit den Arbeiten für „Shoah“ verbracht, indem er Holocaust-Überlebende aufspürte und sich mit ihnen unterhielt.

Zu Claude Lanzmanns 90. Geburtstag fand nun am letzten Freitag in der FU eine Tagung mit dem Titel „Le Regard du Siècle“ statt. Dabei sollte es vor allem um Lanzmann selbst, um sein langes und beeindruckendes Leben gehen. Im Anschluss an eine Reihe von Vorträgen gab es die Möglichkeit, Lanzmann im Gespräch mit Joachim Küpper, dem Sprecher des „Dahlem Humanities Center“, selbst aus seinem Leben erzählen zu hören.

Auf den Spuren von Leibniz

Seine 90 Jahre sieht man dem entspannt in seinen Stuhl zurückgelehnten Lanzmann wirklich nicht an. Man wird jedoch durch seine schelmische Antwort auf die erste Frage schnell wieder daran erinnert: Er könne sich nach so einer langen Zeit selbst nicht mehr erinnern, weshalb er – als französischer Jude und Widerstandskämpfer – im Jahre 1948, so kurz nach dem Krieg, ausgerechnet nach Deutschland gegangen sei.

Anschaulich erzählt Lanzmann von seinem Studium in Tübingen: Es war Leibniz, der den jungen Philosophiestudenten damals nach Deutschland führte. Der deutsche Philosoph scheint sein Leben sehr geprägt zu haben, denn Lanzmann hört nicht auf, von ihm zu erzählen. Die Fragen seines Gesprächspartners tut er fast alle mit einem charmanten „Sie sind mir zu schnell!“ ab, was die Zuhörer immer wieder zum Lachen bringt.

Ein Rebell in Berlin

Schließlich erzählt Lanzmann von seiner Zeit an der FU, bekräftigt immer wieder, wie sehr er Berlin liebe. Lächelnd sagt er, besonders stolz sei er damals gewesen, dass er Steuern zahlen durfte. Das sei so deutsch gewesen, dass er sich bestens integriert gefühlt habe.

Ein Jahr lang lebte der damals 23-Jährige in Berlin und arbeitete als Lektor an der gerade neu gegründeten FU. Auf Wunsch der Studenten gab er unter anderem einen Kurs über Antisemitismus. Der wurde im damals politisch sehr heiklen Berlin allerdings schnell verboten. Doch davon ließ Lanzmann sich nicht einschüchtern und führte seine Kurse heimlich fort. Natürlich, sagt er, denn: „Es liegt nicht in meiner Art, etwas hinzunehmen!“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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