Die Anwesenheitspflicht führt zu besseren Noten im Studium. Das zumindest will eine Studie der Uni Hamburg herausgefunden haben. Doch daraus sollte man keine falschen Schlüsse ziehen, findet Lukas Burger.
Uns Studierenden wird wieder einmal Unfähigkeit zur Selbstorganisation vorgeworfen. Als Anlass hierfür dienen allerdings keine abgehörten Anrufe verzweifelter Studierender, die bei Mutti nachfragen, wie lange geöffnetes Pesto im Kühlschrank haltbar ist. Vielmehr geht es mal wieder um die Anwesenheitspflicht an den Universitäten.
Für den Umgang mit diesem Thema scheint es bislang noch kein Patentrezept zu geben. Wohl auch nicht an der FU. Hier gibt es Studiengänge wie Politikwissenschaft, die keine Anwesenheit voraussetzen. Währenddessen werden bei zum Beispiel den Studierenden der neueren deutschen Literaturwissenschaft offiziell nur zwei Fehlstunden pro Seminar geduldet.
Ein Forscher der Uni Hamburg will nun mit seiner Studie Revolutionäres herausgefunden haben: Studierende, die ihre Lehrveranstaltungen regelmäßig besuchen, sollen bessere Noten haben als jene, die ihnen öfter fernbleiben. So führten laut der Studie bereits drei Fehlstunden zu erheblichen Unterschieden in der Benotung. Die gewollte Schlussfolgerung ist einfach: Den Studierenden sollte die Anwesenheitspflicht auferlegt sein; zu ihrem eigenen Wohl. Schließlich gehe es ja um Noten und damit um den akademischen Erfolg, wenn nicht sogar um berufliche Karrieren.
Anwesenheit heißt nicht gleich Interesse
Zwar ist die Logik hinter diesem Gedanken nachvollziehbar. Aber sie macht es sich auch etwas zu einfach, wenn sie gute Noten allein von regelmäßiger Anwesenheit abhängig macht. Denn natürlich können Studierende, die ihre Lehrveranstaltungen besuchen, im Schnitt bessere Noten haben. Vorausgesetzt sie interessieren sich für ihr Studienfach.
Der entscheidende Faktor ist also eher das Interesse und nicht die Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme. Man muss nur einmal eine Vorlesung besucht haben, um problemlos zwischen Interesse und reiner Anwesenheit unterscheiden zu können. Wer immer noch Zweifel hegt, kann auch einen Studierenden in einer Vorlesung fragen, ob er seinen Candy Crush spielenden Sitznachbarn für interessiert oder lediglich anwesend hält.
Generell bleibt zu hinterfragen, ob gute Noten wirklich der einzige Gradmesser für den Erfolg eines Studiums sind. Viele Prüfungssituationen in verschiedenen Studienfächern wirken wie Verlegenheitslösungen. Sie vermitteln dabei nicht wirklich das Gefühl, Auskunft über einen Aktuellen Wissens- oder Leistungsstand geben zu können.
Mündige Studierende
Mal ganz zu schweigen davon, dass sich niemand zu Beginn seines Studiums verpflichtet, darin auch besonders erfolgreich zu sein. Vor allem nicht anderen gegenüber. Sprich: Wer studiert, ist niemandem außer sich selbst verpflichtet. Ein für den Studierenden ergiebiges Studium muss nicht zwangsläufig in Regelstudienzeit und mit guten Noten abgeschlossen werden.
Vor allem darf man eine Sache nicht vergessen: Studierende sind mehrheitlich bereits volljährig und damit eigenverantwortlich. Sie dürfen bereits wählen, Auto fahren, sich legalen Rauschmitteln aussetzen und ein Kind zeugen. Manches davon sogar gleichzeitig und all dies, ohne in einer dafür vorgesehenen Lehrveranstaltung oft genug gewesen zu sein. Wenn also in all diesen Bereichen vertraut wird, dann doch bitte auch bei Entscheidungen, die den Studienerfolg betreffen.