Nashörner im Kulturforum

Die Ausstellung „Double Vision: Albrecht Dürer und William Kentridge“ stellt die Werke des deutschen Renaissance-Vorreiters denen des südafrikanischen Apartheid-Kritikers gegenüber. Von Hanna Sellheim

Rhinozerus

Jeder hat es wohl schon mal gesehen: Das berühmte Dürer-Nashorn. Foto: Wikipedia

Vor genau 500 Jahren malte Albrecht Dürer, gelernter Goldschmied aus Nürnberg, ein Nashorn. Dies mag zunächst banal klingen, ist aber ein bedeutendes Ereignis für die europäische Wissenschaft. Denn die Art, wie Dürer jenes Nashorn darstellte – ein fabelartig anmutendes Wesen in einer zart gemusterten Rüstung – sollte die westliche Vorstellung dieses exotischen Tiers für Jahrhunderte prägen. Dürer formierte somit ein globales Wissen – und das, obwohl er das Nashorn niemals selbst gesehen hatte, sondern sich bei seiner Zeichnung lediglich auf Beschreibungen stützte.

Im Jahr 2004, malte William Kentridge, Sohn von in den Apartheids-Prozessen engagierten südafrikanischen Anwälten, ebenfalls ein Nashorn. Statt es wie Dürer mit zarten, geschwungenen Linien in ein Kupferblatt zu ritzen, zeichnete er es jedoch mit groben, schwarzen Linien direkt auf das Papier. Hier lässt er es hüpfen, schweben und tanzen – und spielt damit auf sarkastische Weise mit dem statischen mitteleuropäischen Wissens-Begriff. Denn Kentridge, der während der Apartheid die Auswirkungen der europäischen Kolonisierung hautnah miterlebt hat, weiß genau, wie viel Diskriminierung und Ausgrenzung der westliche Anspruch auf Wissenshoheit hervorgebracht hat.

Die Ausstellung „Double Vision: Albrecht Dürer und William Kentridge“ im Kulturforum zeigt nun diese beiden Künstler zusammen. Entstanden ist sie durch eine Kooperation des Transferprojekts „Evidenz ausstellen“ der FU mit dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Berlin.

Kunstwerke vereinen

Ziel des Transferprojektes ist es, die Präsentation von Kunst wissenschaftlich zu untersuchen. Forschung und Ausstellung sollen sich so gegenseitig bereichern. „Unsere Forschung beschäftigt sich mit den Fragen: Wie wirkt sich die Präsentation von Bildern auf unsere Wahrnehmung und auf die Art und Weise aus, wie Bilder Bedeutung erzeugen? Was passiert, wenn man zwei Künstler miteinander konfrontiert – mal nebeneinander, mal gegenüber?“ erklärt Elke Werner, Leiterin des Transferprojekts, ihr Vorhaben. Daher sei die Wahl auch auf die Verbindung von Dürer und Kentridge gefallen. Die Ausstellung solle zeigen, welche Gemeinsamkeiten sich trotz der großen zeitlichen und räumlichen Distanz zwischen den Arbeiten der beiden Künstler zeigten, wenn man sie unmittelbar miteinander konfrontiere.

Einen besonderen Fokus legt die Ausstellung dabei auf die schwarz-weiße Optik der Bilder. „In dieser Art der Darstellung liegt eine abstraktere und zugleich rationalere Betrachtung der Welt, da sie immer einen Transferprozess voraussetzt“, beschreibt Werner.

Die Ausstellung als Forschungsgegenstand

Immer wieder wird dabei die Wandfarbe gekonnt eingesetzt, um das Schwarz-Weiß der Bilder in Szene zu setzen. So auch bei den Kernstücken der Ausstellung: Dürers monumentaler Stich „Die Ehrenpforte“ (1526) schwebt vor schimmerndem Gold, während Kentridges ausklappbare Collage „Remembering the Treason Trial“ (2013) ihr gegenüber auf knalliges Rot genagelt ist. „Das sollte die blutige Geschichte der Apartheid widerspiegeln“, so Werner. Kentridges Werk bezieht sich auf den Treason Trial Ende der 50er Jahre, bei dem 156 Südafrikaner wegen ihres Einsatzes gegen die Apartheid des Landesverrats angeklagt wurden, unter ihnen auch Nelson Mandela. Kentridges Vater arbeitete während des Prozesses als Anwalt für die Angeklagten.

Wie diese Verbindung von Kunstwerk und Raum auf den Museumsbesucher wirkt – auch das will das Transferprojekt sich anschauen. „Die Ausstellung ist für uns als Wissenschaftler auch Forschungsinstrument. Sie wird so zu einem ganz eigenen Medium“, so Werner. In einem ihrer Seminare können Studenten nun an dieser Forschung teilhaben und die Rezeption der Ausstellung durch die Besucher untersuchen. Wie die Mischung aus Renaissance-Genie und Apartheids-Kritiker auf einen wirkt – das kann man auch gut selbst erforschen, wenn man sich in die vorsorglich aufgebauten Sitzkissen vor den Nashorn-Serien der beiden plumpsen lässt. Hier kann man die wild durcheinander hängenden Bilder so lange betrachten, bis man irgendwann nicht mehr unterscheiden kann, welches denn nun eigentlich von Dürer ist und welches von Kentridge.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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