„Wir hassen euer erbärmliches Leben!“

Ein Jugendlicher begeht Selbstmord – andere folgen seinem Beispiel. Der auf wahren Ereignissen basierende Film „Das Dorf der verlorenen Jugend“ handelt von unerklärlichen Suiziden. Von Julian Hettihewa

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Jeppe Ronde, der dänische Regisseur von „Das Dorf der verlorenen Jugend“, recherchierte sechs Jahre in der walisischen Kleinstadt Bridgend, dem Schauplatz des Dramas. Das Ergebnis ist nun seit Donnerstag im Kino zu erleben. Neben der aus „Game of Thrones“ bekannten Schauspielerin Hannah Murray helfen auch viele Heranwachsende aus Bridgend selbst dem Film, zu einem fesselnden Drama zu werden. Dass sie Amateure sind, merkt man ihrem intensiven Spiel jedoch kaum an.

Rätselhafte Rituale

Die Jugendliche Sara zieht mit ihrem Vater, einem Polizisten, von Bristol zurück in die Kleinstadt – warum, das bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen. Nach anfänglicher Zurückhaltung lernt sie schließlich doch eine Gruppe Gleichaltriger kennen und gibt sich der Einladung zu obskuren Ritualen hin. In diesem Freundeskreis wird nicht nur bei Eiseskälte nackt in einem See gebadet oder oberkörperfrei in einem Club geschrien, sondern es spielen sich auch sonderbare Selbstmorde ab. Man findet die Leiche eines Jugendlichen, die an einem Baum hängt, allerdings keinen Abschiedsbrief.

Sara und ihr Vater, der bei den Selbstmorden ermittelt, werden immer weiter in die Verzweiflung, Apathie und Enge der Kleinstadt getrieben. Doch was der wirkliche Grund für die Selbsttötungen ist, steht ebenfalls der Interpretation des Publikums frei. Ein Nebencharakter gibt jedoch sowohl dem Zuschauer als auch Saras Vater einen Tipp: „Wir hassen euer erbärmliches Leben“.

Intellekt statt Action

Jeppe Rondes aufwendige Recherchearbeit hat sich eindeutig gelohnt. Er spart nicht an Details, was den Film zu mehr als einem einmaligen Erlebnis macht: Um ihn vollständig zu verstehen, muss man ihn mehrmals sehen. Die Schauspieler glänzen, kein Wort aus ihren Mündern wirkt platt, sondern bringt die Intention der Drehbuchautoren zur Geltung.

„Das Dorf der verlorenen Jugend“ bietet keine Coolness, keine heißen Models und vor allem keine schießwütigen Verfolgungsjagden. Stattdessen ist dieser Film ein intelligentes Drama, das den Kinobesucher mit vielen Fragen aus dem Kino katapultiert. Warum tötet sich ein Mensch? Warum sind Jugendliche in unserer Gesellschaft so verzweifelt? Sagt das etwas über unsere Jugendliche aus oder über unsere Gesellschaft? Wenn es ein Recht auf Leben gibt, gibt es dann ein Recht auf Sterben?

Der Film beantwortet diese Fragen nicht, erhebt jedoch auch nicht den Anspruch darauf. Er möchte lediglich die außerordentliche Lage eines Ortes aufzeigen, die Verzweiflung der Jugendlichen, die Ratlosigkeit der Eltern – ob dies stellvertretend für andere Gesellschaften gesehen werden kann, bleibt offen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Lara sagt:

    Vom Stil her könnte es ein wenig individueller sein, es fehlt wohl das gewisse Etwas – aber ansonsten eine durchaus lesbare 08/15 Filmkritik.

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