Exil im Reich der Mitte

Was erwartete einen Exilsuchenden während des Zweiten Weltkriegs in China? Die Ausstellung „Walther Liebenthal Ein Leben im Exil“ im Konfuzius-Institut hat einige Antworten parat. Von Judith Hollnagel

Klein, aber informativ: Die Ausstellung zeichnet das beeindruckende Leben von Walter Liebenthal nach. Foto: Judith Hollnagel

Klein, aber informativ: Die Ausstellung erzählt von Walter Liebenthals Forschung in China. Foto: Judith Hollnagel

Wie so viele andere Wissenschaftler jüdischer Herkunft sah auch der Indologe und Sinologe Walter Liebenthal sich im Jahre 1933 gezwungen, Deutschland zu verlassen und seine Forschungen im Exil zu vertiefen. Doch statt wie viele nach England oder Amerika zu flüchten, machte Liebenthal sich auf den weiten Weg nach China.

Was den damals 47-jährigen Walter Liebenthal in China erwartete, können Interessierte noch bis zum 15. Januar 2016 im Konfuzius˗Institut der FU erfahren. Frau Professor Leutner, Sinologin an der FU, präsentiert dort in einer kleinen Ausstellung die Ergebnisse ihrer jahrelangen Forschung über Liebenthals außergewöhnlichen Lebensweg.

Zu Gast bei chinesischen Mönchen

Wer sich auf den Postern der Ausstellung eine Weile in Liebenthals einzelne Lebensabschnitte vertieft hat, wird sich bald fragen, ob Liebenthal nicht eigentlich ganz glücklich über seine Flucht nach China war. Denn seine dortigen Freundschaften mit chinesischen Mönchen und Buddhismus-Forschern eröffneten ihm ungleich vielfältigere Möglichkeiten, als Europa ihm auf diesem Gebiet je hätte bieten können.

Hier konnte er unbehelligt leben und forschen. Bald spezialisierte er sich auf chinesischen Buddhismus und wurde der erste europäische Wissenschaftler, der die Entwicklung des Buddhismus in China und Indien getrennt voneinander betrachtete. Noch heute bilden seine Forschungsergebnisse die wichtigsten Grundlagen der europäischen Buddhismus-Forschung.

Doch auch in China traf Liebenthal bei seinen Forschungen immer wieder auf Hindernisse. Zwar durfte er als jüdischer Flüchtling unbegrenzt in China bleiben, doch musste er innerhalb Chinas immer wieder vor den Bombenangriffen der Japaner fliehen. Diese führten in China bis 1945 einen Besatzungskrieg. Dabei führte ihn sein Weg von Peking bis in den hintersten Südwesten des Landes. Unterwegs verlor er bei Luftangriffen mehrere Male all seine Forschungsarbeiten. Doch trotz widrigster Umstände führte er schließlich all seine Arbeiten zu Ende.

Widerwillige Rückkehr

Fast 20 Jahre verbrachte Walter Liebenthal in China. Nach dem Krieg reiste er für kurze Zeit nach Deutschland, um seine Verwandten zu besuchen. Doch bleiben wollte er dort nicht: „Deutschland war Eis und Ausland Feuer – so weiß ich, wo ich hingehöre“, schrieb er kurz darauf in einem Brief an seinen Sohn.

Stattdessen ging Liebenthal 1952 nach Indien, um dort wie zuvor in China eine Lehrtätigkeit aufzunehmen und in Ruhe seine Forschungen weiterzuführen. Erst mit Anfang 70 konnte sich Liebenthal dazu durchringen, nach Deutschland zurückzukehren und als Honorarprofessor an der Universität Tübingen zu lehren. Doch richtig wohl fühlte er sich in Deutschland nie wieder.

„Sehr hart, teuer, die Menschen gehetzt.“ ˗ so empfand Liebenthal Europa, als er nach langem Exil in Asien zurückkehrte. Was hatte Liebenthal in China und Indien gefunden, was ihm in Europa fehlte? Gerade die Gegensätze, aber auch die Parallelen zwischen Europa und Asien, die die Ausstellung aufzeigt, machen einen Besuch lohnenswert: von China aus eröffnet uns Walter Liebenthal eine neue Perspektive auf die Geschehnisse des zweiten Weltkriegs.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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