Blaupause in Weiß

Als Abgüsse können längst zerstörte Skulpturen weiterleben. Auch die FU sammelt Kopien antiker Statuen und beherbergt sogar das ein oder andere bedrohte Kunstwerk. Von Frauke Oedekoven

Ein Meer aus Gips: Hier finden gefährdete Skulpturen zu einander. Foto: Frauke Oedekoven

Ein Meer aus Gips: Hier finden gefährdete Skulpturen zu einander. Foto: Frauke Oedekoven

Die antike Oasenstadt Palmyra ist im vergangenen Jahr zu einem Symbol für die Vernichtung von Kulturgut geworden. Auf seinem Feldzug durch Syrien eroberte der sogenannte Islamische Staat das UNESCO Weltkulturerbe. Bilder von zerschlagenen Skulpturen und gesprengten Tempeln beherrschten die Medien und zeigten das Ausmaß der Zerstörung einer einzigartigen Kulturstätte. In einer Zeit, in der Kunst der permanenten Gefahr mutwilliger Zerstörung ausgesetzt ist, könnten Gipsabgüsse die Lösung für ihre Rettung sein.

„Im Falle einer Zerstörung können uns Abgüsse dabei helfen, wenigstens die Form der ursprünglichen Skulptur zu erhalten“, erklärt Lorenz Winkler-Horaček, Kurator der Abguss-Sammlung antiker Plastik der FU, die mittlerweile seit 1988 besteht.Da der Schwerpunkt der Sammlung auf der klassischen Antike liegt, sind hier vor allem Stücke aus dem römisch-griechischen Raum zu finden, also keine unmittelbar gefährdeten – wie etwa aus Syrien. Doch fordert Winkler-Horaček seine Kollegen aus der vorderasiatischen Archäologie immer wieder auf, endlich selbst mit dem Aufbau solcher Sammlungen zu beginnen. Denn die Zeit drängt. Auch die Ankündigung von Präsident Francois Hollande, gefährdeten Kunstwerken Asyl zu gewähren, ist keine dauerhafte Lösung.

Doch ganz so einfach ist es leider nicht. Die Herstellung eines Abgusses ist aufwendig: Zunächst wird eine genaue Negativform des Originals abgenommen. Daraus entsteht der erste Gipsabguss. Der Erstabguss dient als Vorlage für weitere Formen, welche dann für Serienherstellungen genutzt werden können. Das größte Problem dürfte jedoch sein, überhaupt in die gefährdeten Gebiete zu gelangen und dort ungestört an den Originalen arbeiten zu können.Für Winkler-Horaček lohnt sich die Arbeit aber auch für Kunstwerke, die nicht akut bedroht sind. Schließlich sind alle Artefakte von zeitlichem Verfall betroffen. Seine Sammlung beherbergt etwa Kopien der Mark-Aurel-Säule in Rom, deren detailreichen Reliefs von der Luftverschmutzung stark angegriffen sind.Natürlich steht der Abguss in der Regel im Schatten seines Originals. Doch eine vielf ältige Sammlung bietet einen entscheidenden Vorteil: „Hier finden Kunstwerke nebeneinander Platz, die ansonsten über die ganze Welt verteilt sind,“ erklärt Winkler-Horaček.

Dadurch ergeben sich Zusammenhänge, die sonst kaum zu erahnen sind. So zum Beispiel beim Abguss des Porträtkopfes des Kaisers Commodus aus Tivoli. Das Original ist in zwei Teile geteilt, eine Hälfte des Kopfes ist in Liverpool zu finden, die andere liegt in Italien. Erst in der Berliner Abguss-Sammlung finden die beiden zusammen.Zwar ist der Verlust einzigartiger Kulturgüter nie gänzlich zu verhindern. Ein Abguss hält jedoch wenigstens die Form des Kunstwerks am Leben – auch wenn das Original eventuell schon seit Jahrhunderten nicht mehr existiert.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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