Der empörte Student

Wer die dunkle Seite des Studiums kennenlernen möchte, der muss nur auf die nächste Gruppenarbeit warten. Unsere Autorin stößt an ihre Grenzen. Von Alexandra Brzozowski

Illustration: Lucie Hort

Illustration: Lucie Hort

Liebe Kommilitonen,

bestimmt werde ich nun als egoistisch oder unkooperativ abgestempelt – mir egal, ich gebe ganz offiziell zu: Ich hasse Gruppenarbeiten!

Der Dozent teilt uns für Referate in Fünfer-Gruppen auf. Ich beginne mit den Zähnen zu knirschen – die nächste Zahnarztrechnung wird teuer. Denn ich kann schon ahnen, was mich erwartet.

Fünf Gehirne denken besser als eins? So ein Unsinn! Der Grat zwischen angestrebter Schwarmintelligenz und abgrundtiefem Schwarmschwachsinn ist schmal. Sehr schmal. Die Wahrheit ist: Je mehr Teilnehmer, desto größer die soziale Faulheit.

Und so saß ich da, meine lieben Referatsgruppenkumpanen. Wartend, die Wände des kargen Seminarraums anstarrend. Denn Gruppenarbeiten haben es immer so an sich, dass ihr mindestens eine halbe Stunde zu spät kommt.

Dann heißt es: Bloß nicht wütend werden. Luft holen. Auftritt kleiner Engel mit Harfe, linke Schulter: „Vielleicht hat der Bus einen Platten oder sie haben wirklich viel zu tun. Kann vorkommen, muss man entschuldigen.” Durchatmen. Teufel mit brennendem Dreizack, rechte Schulter:„Bist du des Wahnsinns?! Zu entschuldigen wäre das nur, wenn sie gerade Kätzchen vor dem Ertrinken retten!” Ich massiere meine lädierten Kaumuskeln und schlucke den Zahnabrieb mit meiner Wut hinunter.

Das Schlimmste kommt aber erst noch: Wenn ihr Trantüten endlich hereinschlurft, seid ihr auch noch so unvorbereitet, dass keiner eurer Kommentare verwertbar ist. „Ich konnte den Text nur mal überfliegen.” Ja, ist klar. Spätestens dann gebe ich auf, euch an der Arbeit beteiligen zu wollen. Gruppenarbeiten sind eine Ausgeburt der Hölle. Am Ende läuft es immer auf dasselbe hinaus: Einer macht alles und der Rest lässt sich bedienen.

Gruppenarbeiten bringen das Schlechteste in Studenten hervor: Die faulen Socken, die sich am liebsten die Stichpunkte ihres Redebeitrags von Mami auf einem Silbertablett servieren ließen. Oder warum sonst seid ihr so unfähig, einen gemeinsamen Vortrag zu organisieren?

Am Rande des Nervenzusammenbruchs bringe ich es doch fertig, ein brauchbares Referat aus euren Wortfetzen zu stricken und klatsche euch euren Teil auf den Tisch. Ein »Danke« bleibt wie erwartet aus.

Trotzdem steht ihr am besagten Tag nun da wie Rehe im Scheinwerferlicht eines Autos. Denn ihr habt keine Ahnung, was ihr da vor euch hinplappert. Ihr hofft einfach, dass es bald vorbei ist. Weit gefehlt – die Kommilitonen haben natürlich bohrende Nachfragen, die euch in die Bredouille bringen. Wer euch dann dabei zusieht, wie ihr verzweifelt vor euch hinstammelt, könnte fast Mitleid haben. Fast. Aber mein Sinn für Mitleid hat sich längst verabschiedet, zusammen mit meinem Zahnschmelz.

Eure entrüstete
Alex

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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