Der Genuss der Künstlichkeit

Im tiefsten Brandenburg verborgen lockt das „Tropical Islands“ mit einer künstlichen Tropenfantasie. Eine angenehme Möglichkeit, den Kopf frei zu bekommen, findet Cecilia T. Fernandez. Der erste Teil unserer Ferienserie „Furios entdeckt”.

Tropenparadies in Brandenburg. Foto: Cecilia T. Fernandez
Tropenparadies in Brandenburg. Foto: Cecilia T. Fernandez

In Brand gibt es nicht viel zu sehen: Die Bahnhaltestelle des kleinen Ortsteils in Brandenburg besteht aus zwei Gleisen und einem verlassenen Bahnhofsgebäude mit verriegelten Türen. An dessen Backsteinwänden wuchert der Efeu und im kühlen Wind krächzen die rostigen Rohre, die sich an ihm emporschlängeln. Rundum erstrecken sich verlassene, trockene Felder, vereinzelte Bäume. In der Ferne steht ein wuchtiges, einsames Haus. In einem der Fenster im ersten Stock brennt nachts manchmal ein Licht. Manchmal.

Trotzdem sammeln sie sich hier jeden Morgen: Fröhliche Reisende, Pärchen und Familien mit quengelnden Kindern stehen dann hier mit vollgepackten Taschen und hoffnungsvollen Gesichtern. Sie warten auf einen Bus, der sie direkt aus der Brand’schen Tristesse ins Tropenparadies transportieren soll – ins „Tropical Islands.“

Kostspieliger Strand-Ersatz

Das „Tropical Islands“ ist ein Freizeitpark, erbaut in einer gigantischen Halle, in der ehemals Zeppeline hergestellt wurden. Jetzt erwarten die Besucher keine Luftschiffe mehr, sondern der Versuch, einen Urlaub in einem touristischen Ressort zu imitieren: Schwimmbecken, Saunas, Spielplätze, Minigolfanlage, Heißluftballons – mit diesem Angebot lockten die Betreiber allein im Jahr 2014 immerhin 910.000 Gäste.

Dabei ist der Besuch keineswegs kostengünstig: Ganze 28,50 Euro kostet das Tagesticket für Studierende. Dieses berechtigt den Besucher zwar zumindest dazu, die Freizeitlandschaft bis nach Mitternacht zu nutzen. Doch wer länger bleiben will, muss zusätzlich eine Übernachtungsmöglichkeit buchen. Die billigste unter diesen – Stoffzelte innerhalb der Halle – kostet 69 Euro pro Person und Nacht.

Nicht in diesen Preisen enthalten sind die Verpflegung sowie Unterhaltungsmöglichkeiten, sprich Minigolf, Tanzshows und Saunabesuch. Und die können noch einen ordentlichen Schrecken für den Geldbeutel bieten. Denn der Besucher bekommt bei Ankunft einen Chip, der während des gesamten Aufenthalts statt Bargeld zur Bezahlung dient. Das ist komfortabel, birgt jedoch die Gefahr, dass am Ende des Besuchs eine böse Überraschung lauert. Dann nämlich, wenn man an den Kassenautomaten vor dem Ausgang die angesammelte Rechnung begleichen muss.

Freier Kopf und nächtliche Ruhe

Dafür, oder vielleicht deswegen, verführt das „Tropical Islands“ auch dazu, die Außenwelt vollends zu vergessen. In ganz Deutschland mag der Winter wüten – hier herrschen durchweg angenehme 26 Grad Lufttemperatur. Die geräumigen Schwimmbecken sind versehen mit Brausedüsen und Wasserfällen, die Badespaß garantieren. Daneben laden zahlreiche Strandliegen zum Dösen ein, und wer sich nach Adrenalin sehnt, für den stehen drei Rutschen bereit – eine aufregender als die andere. Zwischen Plantschen, Cocktails und Nickerchen kann ein Tag schnell vergehen. Und der Kopf ist danach freier.

Einen besonderen Charme entfaltet der Freizeitpark zudem bei Nacht. In den späteren Abendstunden lichten sich nämlich die Badestrände und die letzten Kinder gehen ins Bett. Dann legt sich eine erholsame Ruhe über das Ressort und die Besucher bekommen die Möglichkeit, etwas zu tun, das in natürlichen Gewässern Gefahren bergen würde: bei wohltuender Dunkelheit baden, ohne jegliche zeitliche Begrenzung und frei von irdischen Sorgen.

Das mag nicht jedermanns präferierte Freizeitgestaltung sein – kommt indes der Erfahrung in einem Urlaubsressort verdächtig nahe. Und eignet sich für all jene, die von einem Kurztrip in den Ferien keine intellektuelle Herausforderung, sondern ein banales Wohlgefühl erwarten.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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