„Hebamme der Kunst”

Regisseurin Vreeland führt in ihrem Dokumentarfilm über Kunstliebhaberin Peggy Guggenheim auf eine beeindruckende Zeitreise durch die Kunstgeschichte. Von Hannah Lichtenthäler

Die Kunstsammlerin Peggy Guggenheim. Foto: Presse

Die Kunstsammlerin Peggy Guggenheim. Foto: Presse

Vom Expressionismus zum Surrealismus, das Zeitalter der Moderne war voller kultureller Umbrüche. Peggy Guggenheim galt als absolute Vorreiterin unter den Kunstsammlern und prägte diese Zeit besonders. Sie bezeichnete sich selbst als „Hebamme der Kunst“: Vor allen anderen entdeckte sie namhafte Künstler. Ihre Leidenschaft machte Peggy Guggenheim zu einer der einflussreichsten amerikanischen Kunstmäzeninnen, Sammlerinnen und Galeristinnen der modernen Kunst.

Bisher unentdecktes Material

Wer sich für Kunst interessiert, darf sich endlich im Kino den biografischen Dokumentarfilm „Peggy Guggenheim – ein Leben für die Kunst“ von Lisa Immordino Vreeland ansehen. Kern dieser Dokumentation sind unveröffentlichte Tonaufnahmen aus den Interviews Jaqueline Bograd Welds mit Guggenheim. Die letzten beiden Jahre vor deren Tod führten sie im Rahmen der Recherchearbeit für die Biografie Guggenheims zahlreiche Gespräche. Untermalt werden die Erzählungen von einem umfangreichen Foto- und Filmarchiv.

Die Enkelin sowie Bekannte aus Guggenheims Leben begleiten den Film. Auch viele berühmte Namen der Kunstwelt wie Marina Abramović, Lindsay Pollock und Hans Ulrich Obrist kommen zu Wort. Dadurch gelingt es Vreeland, den Bogen zwischen Guggenheims Geschichte – persönlich und künstlerisch – und ihrer heutigen Bedeutung zu spannen.

Vreeland stellt auch sehr deutlich dar, dass Guggenheim ein trauriges Leben führte, was in den Fotos von ihr stark zur Geltung kommt. Ihr Vater starb auf der Titanic, als sie erst 13 Jahre alt war, ihr erster Ehemann und Vater der zwei Kinder war gewalttätig und ihre Tochter beging Selbstmord. Vreeland versucht, ein Gleichgewicht zwischen der Bewunderung für die Kunstikone und dem traurigen Privatleben zu finden, um dem komplexen Charakter Guggenheims gerecht zu werden. Stellenweise gelingt ihr das allerdings nicht so gut, wenn sie zum Beispiel die Mutterrolle im Sinne stereotyper Erwartungen infrage stellt.

Vorbild für Frauen

Andererseits ist es sehr schön, wie sie die Ikone Peggy mit lebhafter Musik und einem Wechsel von Schwarz-Weiß- und Farbfotos zelebriert. Vreeland schafft es, dass auch die Zuschauenden Peggy Guggenheim bewundern, nicht nur wegen ihrer Bekanntschaft mit Künstlern wie Man Ray oder Pollock, sondern auch weil sie sich nicht für gesellschaftlichen Normen interessierte. Besonders gut: Vreeland hebt durch die Kommentare die feministische Kritik in ihrer Erzählung hervor, Frauen sei es moralisch nie erlaubt gewesen, promiskuitiv zu leben, Männern aber schon. So zeigt sie, dass Guggenheim ein „Vorbild der befreiten Frau“ ist.

Vreeland schafft es nicht nur, die Biografie einer bedeutenden, einflussreichen Frau ästhetisch und interessant darzustellen. Der anekdotische Charakter ihres Films, der von Guggenheims 57 selbstgezüchteten Hunden und dem schlechten Essen auf ihren Festen erzählt, bringt das Publikum zum Lachen. Auch der Humor Peggy Guggenheims, die in den Tonaufnahmen Witze über ihre eigene Familie und all die namhaften Künstler macht, verleiht dem Film Unterhaltungswert. Die Präsentation der gesammelten Kunstwerke vermittelt das Gefühl, selbst in einer Galerie zu stehen und hinterlässt das Publikum mit der Lust, nach Venedig oder New York zu reisen, um die Werke zu betrachten.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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