Unsere Generation wird wieder einmal eingetütet und mit einem Namensetikett versehen. Wir sollten endlich damit aufhören, findet Lukas Burger.
Kategorien scheinen in unserer Gesellschaft sehr wichtig zu sein. Egal ob in Kunst, Kultur oder Gesellschaft: Sobald etwas als Thema Relevanz erlangt, sind wir auch schon dabei, es einzuordnen, zu benennen und in Schubladen zu stecken. Meistens wird dabei einfach nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht. Besonders beliebt ist diese Praxis, wenn es darum geht. Menschen – mehr oder weniger gleichen Alters – unter einem Leitbegriff zusammenzufassen. Schnell ist dann die Rede von der Generation X, Generation Golf oder zuletzt von der Generation Y.
Auch aktuell ist man mal wieder auf der Suche nach einer neuen Generationsbezeichnung für die 18-bis 34-Jährigen und führt seit dem 16. April unter dem Titel „Generation What“ eine Umfrage in 31 europäischen Ländern durch, um herauszufinden, wie die jungen Leute heute so ticken. Bisher wurde dabei vor allem die bahnbrechende Erkenntnis zu Tage gefördert hat, dass die aktuelle Generation eher auf Autos und Kinder verzichten kann als auf das Internet.
Generationen-Namen am Fließband
Leider haben all diese Generationsbegriffe einen großen Makel: Sie funktionieren nicht und haben noch nie funktioniert, weil es unmöglich ist, eine komplette Generation mit einem Begriff zu beschreiben. Ohne Zweifel gibt es einschneidende Ereignisse, die sich auf die Lebensrealität einer gesamten Altersgruppe auswirken können. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen oder der Durchbruch des – bereits erwähnten – Internets gehören wohl dazu. Doch aus diesen prägenden Elementen eine Geisteshaltung als Konsequenz zu ziehen und den Anspruch zu erheben, damit eine komplette Generation beschreiben zu können, ist immer eine Verkürzung. Denn das würde bedeuten, all die anderen Faktoren außer Acht zu lassen, die Persönlichkeit prägen.
Unsere Lebensrealität wandelt sich immer schneller. Um da mitzuhalten, schießen immer schneller neue Generationsbezeichnungen aus dem Boden. Das entwertet diese jedoch extrem. So hat es niemand richtig mitbekommen, dass zwischenzeitlich die Generation Z ausgerufen und kurze Zeit später wieder verworfen wurde. Wer Pech hat, gehört schon mindestens drei Generationen an, ohne zu wissen, was das genau bedeuten soll. Bei einer solchen Frequenz würde es sich auch nicht lohnen, das herauszufinden. Schließlich wäre dann schon längst eine neue Bezeichnung erfunden.
Alle gleich? Keineswegs!
Und wer kann heute schon noch stellvertretend für eine Generation stehen? Der Berliner Student, der während eines Netflix-Marathons vegane Schokolade snackt und der pfälzische Auszubildende bei einer Versicherung, der seiner Freundin zum Geburtstag Karten für Helene Fischer schenkt, könnten unterschiedlicher nicht sein. Trotzdem gehören sie streng genommen einer Generation an.
In Zeiten aber, in denen der eine Teil der Gesellschaft seine Diversität und Offenheit immer weiter erhöht, während der andere strammen Schrittes zurück in Richtung Nationalismus schreitet, ist es Unsinn, unsere Generation unter einem Namen zusammenfassen zu wollen. Viel wichtiger wäre es, dass man diesem Auseinanderdriften unserer Gesellschaft entgegentritt, indem man sich auch mit denjenigen auseinandersetzt, zu denen man auf den ersten Blick keinen kleinsten gemeinsamen Nenner findet.