Vor den Pforten der Hölle ist es kalt. Und wer hätte gedacht, dass man drei Stunden vorher da sein muss, um hereingelassen zu werden? Willkommen in der Ausländerbehörde! Von Cecilia T. Fernandez
Morgens, halb fünf im Wedding. Ein Knoppers hat hier niemand. Stattdessen Thermoskannen und Wolldecken. Bei Minusgraden stehen wir – nunmehr rund zwanzig Menschen – in der Dunkelheit vor einem verschlossenen Tor.
Seit gut einer Stunde spüre ich nur noch einen stechenden Schmerz, wo meinen Berechnungen zufolge meine gefrorenen Gliedmaßen liegen müssten. Eine ähnliche Art von qualvoller Taubheit hat schon mein Gesicht befallen. Wie schnell kann man wohl Skorbut entwickeln, die Krankheit waschechter Polarfahrer? Ich bin ganz froh, dass ich Dr. Google mangels funktionstüchtiger Finger nicht konsultieren kann.
Was aussieht wie eine eklektische Choreographie, bei der sich alle völlig unkoordiniert schütteln und zittern, ist in Wahrheit etwas viel Banaleres: Ein Besuch bei der Ausländerbehörde. Und wir sind die Glücklichen, die irgendwo im Darknet oder durch einen vorherigen Sondierungsbesuch erfahren haben, dass man hier mittlerweile drei Stunden vor Beginn der offiziellen Öffnungszeiten antanzen muss, wenn man an diesem Tag das Antlitz eines Beamten erblicken möchte. Wehe den törichten Tölpeln, die erst eine Stunde vor Einlass ankommen! Sie werden zwei Minuten nach Öffnung der Pforten mit einem freundlichen Lächeln und einem »Für heute gibt es keine Wartenummern mehr« heimgeschickt.
Und so tänzeln wir in der Kälte vor uns hin, um uns unserer Beine zu vergewissern und einen Funken Wärme zu produzieren. Sollten sich um diese Uhrzeit Liebhaber der modernen Künste auf die Straßen verirrt haben, hoffe ich sehr, dass sie dieses Spektakel mit polierten Monokeln verfolgen: Ein Dutzend erwachsener Menschen, die in Decken gehüllt heftig mit ihren Leibern hin nund her wippen – um das zu sehen, muss man normalerweise 80 Euro für’s Ballett bezahlen.